St. Gabriel,
Patron der christlichen Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh.

St. Gabriel, eine starke Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem August-GABRIEL 2012

Zurück

Der Isenheimer Altar

Am 18. Juni 2012 hat die französische Post einen spektakulären Markenblock herausgegeben, der den Isenheimer Altar zum Gegenstand hat. Auf den eigentlichen Block mit drei Marken, die den geschnitzten Schrein wiedergeben, mit Figuren des hl. Abts Antonius, (Mitte, 2,00 €), des hl. Augustinus (1,50 €) und des hl. Hieronymus (1,50 €) sind zwei Lagen leichtes Kartonpapier aufgeklebt, die die verschiedenen Teile des Altars wiedergeben. Die Schnitzfiguren stammen von dem Holzbildhauer Nikolaus von Hagenau.

Der gesamte Altar wurde 1512 von dem Präzeptor Orliaco und seinem Nachfolger Guy Guersi für das Antoniterkloster in Isenheim im Elsaß für die Kirche des Klosters und des Spitals gestiftet. Ausgeführt wurde er von einem Künstler, dessen Name lange vergessen war: Mathis Gothart, genannt Neithart, für uns bekannter unter dem Namen Matthias Grünewald. Nachdem das Isenheimer Kloster aufgelöst wurde, kam der Altar in das Unterlinden-Museum in Colmar.

Die um 1300 gegründete Komturei von Isenheim gehörte zum Orden des hl. Antonius, der am Ende des 11. Jh. in einem Dorf der Dauphiné geboren wurde. Der Antoniterorden hatte sich zur Aufgabe gemacht, die von dem heiligen Feuer oder Antoniusfeuer befallenen Kranken zu pflegen, einer wirklichen Geißel des Mittelalters. Diese Krankheit war an den Verzehr des Mutterkorns gebunden; sie verursachte eine Verengung der Blutgefäße, die zum Tod führen konnte. Um den Kranken zu helfen, gaben die Antoniter ihnen Brot und bereiteten ihnen einen speziellen Trank auf der Grundlage von Wein, in dem Pflanzen ausgelaugt wurden und in den Reliquien des hl. Antonius getaucht wurden. Sie stellten ebenfalls eine Salbe her, die aus entzündungshemmenden Kräutern bestand.

Die Komturei Isenheim kam zu großem Reichtum, wovon die zahlreichen Kunstwerke zeugen, die sie in Auftrag gab und finanzierte. Der Altar befand sich bis zur Französischen Revolution in ihr und wurde 1792 nach Colmar gebracht, um ihn vor der Zerstörung zu bewahren. 1852 kam er dann in das ehemalige Dominikanerkloster Unterlinden, heute Museum.

Im voll geöffneten Zustand schließen zwei Flügeltafeln an den goldglänzenden Figurenschrein. Auf der rechten Tafel quälen teuflische Untiere Antonius; der Greis ist nach hinten gestürzt, vorn hockt ein Kranker, aufgetrieben und zerfressen vom „Antoniusfeuer“. Schreckgespenster stürzen sich auf den Heiligen. Aufwärts flackern wilde Farben und Formen, Teufelchen verbrennen seine Hütte. In weiter Ferne, hoch über dem rosa Felsengebirge öffnet sich der blasse Himmel in eine Lichtglorie mit Gottvater.

Gegenüber, auf der linken Tafel, sitzt Antonius vor dem steinalten Paulus in seiner Einöde. Umwallt von Gewändern bläulicher Tönung sitzt er fremd in dieser fremdartigen Natur. Es ist das letzte Gespräch, der letzte Tag des Greises. Die großen Hände reden.

In der ersten Wandlung des Altars zeigt sich die Menschwerdung Christi: auf der großen Mitteltafel das Geheimnis seiner Geburt, auf den Flügeln das seiner Verkündigung und seiner Auferstehung – der göttliche Beginn und Abschluss seines Erdendaseins. Maria erscheint in lauter Bildern und Gestalten. Sie ist die in ihrem Glück strahlende Mutter, die das rosige Kind in hellen Windeln hält. Im Licht des Tages, unter der goldenen Glorie Gottes sitzt sie da, umflutet von dem wogenden Rot ihres Gewands. Links erhebt sich die Kapelle und der vielstimmige Gesang der Engelsmusik, überirdisch wandeln sich Farben und Töne. Dort kniet Maria nochmals, in der magischen Glut reinen Leuchtens, die Geburt erwartend.

Das Flügelbild neben dem Tempel vertieft sich in die Kapelle, in der Maria die Botschaft empfängt. In tiefem Gold und Rot leuchtend rauscht der Engel herab. Die Gewänder flattern voraus, und der Finger weist nach vorn: aus diesen Gebärden dringt das große Wort auf sie ein.

Auf dem Flügel gegenüber geht es hinauf: Christi Auferstehung. Er schwebt hervor aus der gestirnten Nacht, hinaus über die dunklen irdischen Dinge, das Grab, die Wächter, den schweren Felsklotz. Er wird das Leuchten selbst. Sein Antlitz löst sich auf in der Helligkeit der Lichtsphäre, und die Hände heben ihre Wundmale in dieses Licht.

Noch einmal kann man die Flügel zuschlagen. Der Marienaltar vor dem Antoniusschrein wandelt sich zum Kreuzaltar: in der Passionszeit erscheint über der Beweinung Christi auf der Predella die große Kreuzigung, dazu seitlich auf den Stellflügeln – nach alter Übung als Standbilder gemalt – die beiden Schutzheiligen der Kranken, Sebastian und nochmals Antonius, der Patron.

Im Mittelbild stehen vor tiefstem Dunkel die Gestalten übernahe in einem unwirklichen Licht. Der tote Leib des Gekreuzigten hängt an dem rohen Balken, grausam zerschunden, geschändet und entstellt. Auseinandergerissen greifen die bleichen Hände krampfhaft ausgebreitet ins Leere. Darunter kniet Magdalena, Hände und Haare, Schleier und Gewand willenlos geschüttelt von bebendem Schluchzen. Weiß fällt die Gottesmutter zurück, blutlos erstorben und erstarrt. Sie umfangen die roten Gewandzipfel des schmerzlich bewegten Johannes, lebendes Mitgefühl wird zu einer Figur mit der Ohnmächtigen. Und gegenüber der weisende Finger, die laut sprechende Gestalt des Täufers.

Der Täufer war tot, als Christus starb. Das Kreuz steht außer der Mitte. Jede der menschlichen Gestalten hat eine andere Größe und ihre andere Sphäre. Die Gebärde spricht das Unsagbare aus. Das Unwahrscheinliche selbst gewinnt sinnliche Gegenwart. Dass ein Gott leben kann – und sterben, über aller Vernunft und doch greifbar als Bild erschaut -, eine hohe Kunst, die das Äußerste wagt, hat das Geheimnis in bannende Wirklichkeit geformt.

GJT

nach dem Text von Kurt Bauch (z. T. wörtlich) des Heftchens „Der Isenheimer Altar“ aus der Langewiesche-Bücherei, Freiburg 1962, und der Info der franz.l

Stand: 01.08.2012    © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.