St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem Juli-Gabriel 2012


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Die Wege nach Santiago de Compostela

Am 2. April 2012 hat die französische Post einen Block mit vier Marken zu 0,77 € (Europa-Porto) ausgegeben, der den Pilgerwegen nach Santiago de Compostela gewidmet ist. Speziell zeigen die vier Marken Abbildungen von kirchlichen Bauwerken der vier Ausgangsorte der Hauptpilgerwege in Frankreich: Paris – Vézelay – Le Puy en Velay – Arles.

Als Symbol für Paris steht der Turm der ehemaligen Jakobskirche der Fleischergilde (Tour St. Jacques de la Boucherie) auf dem rechten Seineufer. Der feingliedrige Turm stammt aus der Zeit der Spätgotik des beginnenden 16. Jahrhunderts. Die zugehörige Kirche wurde 1802 in den Wirren der Revolution abgerissen. Dieser 52 m hohe Turm ist gewissermaßen der Ausgangspunkt des in Paris beginnenden Pilgerwegs, der über die Seine und die Rue St. Jaques bzw. Rue du Faubourg St. Jacques nach Süden führt. Der lateinische Name dieses Wegs Via Turonensis (nach der Stadt Tours) wird ebenfalls auf der Briefmarke vermerkt.

Die zweite Marke oben rechts betrifft die Via Lemovicensis (nach Limoges), die ihren Ausgangsort in dem berühmten Wallfahrtsort Vézelay im Norden Burgunds hat. Hier stand ursprünglich ein bedeutendes Benediktinerkloster, und die Gläubigen pilgerten zu den Reliquien der Maria Magdalena. Ihr zu Ehren wurde auf einem herausragenden Hügel, der "Colline inspirée", die romanische Basilika "La Madeleine" zwischen 1120 und 1250 erbaut, die wir in voller Größe aus der Vogelperspektive sehen. Berühmt ist das Tympanon über dem Mittelportal, heute hinter einem jüngeren Vorbau verborgen und geschützt. Es zeigt Christus als Weltherrscher (Pantokrator). Mit seinen in Kreuzform ausgestreckten Armen sendet er den Heiligen Geist auf die Apostel herab.

In Vézelay predigte der heilige Bernhard von Clairvaux am 31. März 1146 den 2. Kreuzzug – Vézelay gehörte damals zur Kongregation von Cluny und war auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Spätere Jahrhunderte sahen den Niedergang von Kirche und Abtei bis zur Französischen Revolution und der Wiederherstellung der Kirche in der Mitte des 19. Jh.  Auch Zweifel und Streit um die Reliquien der hl. Maria Magdalena trugen das Ihre zum Verfall bei, gab es doch in der Provence in Saint-Maximin ebenfalls ein dieser Heiligen geweihtes Heiligtum mit den entsprechenden Reliquien.Das auf  dem Block dargestellte romanische Kapitell, das die Arbeit des Weinkelterns zeigt, stammt übrigens aus Vézelay.

In Le Puy en Velay in der Auvergne beginnt der dritte Weg, die Via Podiensis (nach Le Puy). Ausgangspunkt ist die Kathedrale, die der Schwarzen Madonna von Notre-Dame du Puy geweiht ist. Auf der Briefmarke sehen wir ein Gesamtbild der Stadt, über der auf der Höhe eines Hügels die Kathedrale wacht. Das romanische Bauwerk, in dem orientalische Stilelemente sichtbar werden, ist mit seinem etwas unübersichtlichen Bauplan etwas schwer zu durchschauen. Imposant aber ist die am Ende eines Aufstiegs über Treppen aufragende Fassade, die auch auf einer französischen Marke (Mi 3309) abgebildet wird. Die Schwarze Madonna wurde schon zur Zeit Karls des Großen verehrt; zusammen mit Chartres ist Le Puy die älteste Stadt mit einer Marienverehrung in Frankreich. Ausdruck dessen ist auch eine 1860 auf einem Felsen (Rocher de Corneille) errichtete Marienstatue Notre-Dame de France, die aus 213 von Napoleon III. nach der Einnahme von Sebastopol erbeuteten Kanonen gegossen wurde.

Die Via Podiensis wendet sich von der Stadt nach Westen, später nach Südwesten, und führt über weitere bedeutende romanische Stätten wie die Abteien von Conques und Moissac, bevor sie unmittelbar vor dem Pyrenäenübergang in Ostabat auf die beiden nördlichen Wege trifft.

Die aus römischer Zeit stammende Stadt Arles ist der Ausgangsort des vierten Wegs, der Via Tolosana (nach Toulouse benannt). Neben gut erhaltenen römischen Bauten (Arena, Theater, Totenstadt von Alyscamps) besitzt Arles ein großes Heiligtum mit der romanischen Kathedrale St. Trophime. St. Trophimus war im 3. Jh. der erste Bischof von Arles, nach einer später gegründeten Legende sogar ein Schüler des hl. Paulus oder eines der70 Jünger des Neuen Testaments. Seine besondere Verehrung geht auf das 9. Jh. zurück, und die Jakobspilger konnten seit dem 12. Jh. sein Grab in der Kathedrale aufsuchen. Bemerkenswert an dieser Kathedrale ist das mit Figuren reich geschmückte Hauptportal aus dem 12. Jh. Auch der aus dem 12. und 14. Jh. stammende Kreuzgang verdient Erwähnung.

Arles war und ist Ausgangspunkt für die Pilger, die von der italienischen Halbinsel kommen, ebenso auch für solche die von Norden, über die aus Süddeutschland und der Schweiz kommenden "Oberstraße", nach Santiago pilgern. Wie der Name sagt, ist die bedeutendste Stadt an diesem Weg die alte Bischofsstadt Toulouse mit ihren vielfältigen Heiligtümern. Im weiteren überquert sie die Pyrenäen nicht über den Paß von Roncevaux, sondern über den 1632 m hohen Somport-Paß, um sich im spanischen Puente la Reina mit den drei anderen Wegen zu vereinen.

GJT

S. auch Gabriel-Bildheft 32, Gerhard J. Teschner, Die Pilgerfahrt zum hl. Jakobus nach Compostela.

Stand: 01.07.2012       © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.