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Tassilokelch – Stift Kremsmünster
Mit der vorliegenden Sondermarke findet
die beliebte Serie "Sakrale Kunst in
Österreich" nun ihre attraktive
Fortsetzung. Das ästhetische Wertzeichen
zeigt den um 780 vom bayrischen Herzog
Tassilo und seiner Gemahlin Luitpirga,
vermutlich zur Gründung Kremsmünsters,
gestifteten Tassilokelch.
Die genaue Entstehungsgeschichte ist
unklar. Da die Inschrift am Fuße des
Kelchs die Hochzeit Tassilos voraussetzt,
kommt nur eine Entstehung nach 768/69 in
Frage. Als Herstellungsort wird eine
Salzburger Werkstätte vermutet, es ist
aber auch der bayrische bzw.
oberitalienische Raum nicht völlig
auszuschließen. Die im insularen Stil
kontinentaler Prägung ausgearbeiteten
Flechtband- und Tierornamente führten
früher zur Vermutung, dass das wertvolle
Gefäß vielleicht auch in England
angefertigt worden sein könnte.
Der aus Kupfer bestehende Tassilokelch ist
etwa 25 cm hoch und 3 kg schwer, Kuppa und
Knauf wurden als Einzelstücke hergestellt.
Auf den teilweise vergoldeten Kelch sind
Silbermedaillons aufgelötet, wobei die
fünf großen Brustbilder an der Kuppa
Christus mit den Initialen IS (Jesus
Salvator), umgeben von den vier
Evangelisten, die kleineren am Fuß die
heilige Maria und Johannes den Täufer,
und, nach einer unsicheren Interpretation,
die Langobardenkönigin Theodolinde und den
heiligen Theoto zeigen. Darüber hinaus ist
der Kelch mit Ornamenten in verschiedenen
Stilrichtungen und Techniken, mehreren
Pflanzenornamenten und geometrischen
Motiven reich verziert.
Aufgrund der Größe und der aufwändigen
Gestaltung des Kelchs handelt es sich wohl
um einen so genannten Spendekelch („calix
ministerialis“), der bei besonders
festlichen Gottesdiensten benutzt wurde
(und immer noch wird), um den Gläubigen
die Kelchkommunion zu reichen. Ein Detail
legt diese Annahme freilich im Besonderen
nahe: Der Ring aus Metallperlen oberhalb
des Knaufs ist frei drehbar. Dies
erleichtert die Handhabung bei der
Darreichung an mehrere Kommunikanten
nacheinander; der Kelch kann so vom
Kommunionspender nämlich nach jeder Person
leichter gedreht werden – dies kann als
Beleg für die Praxis der Kelchkommunion in
der damaligen Zeit angesehen werden.
Interessant ist, dass auch Papst Benedikt
XVI. den Kelch bei der Feier der Heiligen
Messe in Mariazell am 8. September 2007
verwendete.
Die Inschrift am Fuß des wertvollen
Kleinods lautet "TASSILO DVX FORTIS +
LIVTPIRC VIRGA REGALIS", was übersetzt so
viel bedeutet wie "Tassilo, tapferer
Herzog + Liutpirg, königlicher Spross" –
ein Hinweis darauf, dass es sich, wie
eingangs erwähnt, um den Hochzeitskelch
von Tassilo handeln dürfte.
Dr. Gerhard Teschner |