Zwei
Kirchen in Dänemark
Unser dänischer Freund Thommy Jeppesen
ließ uns vor einiger Zeit eine
Beschreibung der Liebfrauenkirche in
Kopenhagen zukommen, die auf einer 1976
ausgegebenen Marke (Mi 618) zu sehen ist.
Vor Frue Kirke,
die Marienkirche, ist eine der ältesten
Kirchen der Stadt, wenn nicht die älteste.
Sie wurde zum ersten Mal am Ende des 12.
Jh. erwähnt, als Bischof Absalon an ihrer
Stelle eine Steinkirche bauen ließ,
wahrscheinlich als Nachfolgerin einer
früheren Holzkirche. Die Kirche wurde
unter seinem Nachfolger auf dem
Bischofssitz von Roskilde, Peder Sunesøn
(Bischof 1190-1214), fertiggestellt. Im
Lauf der Jahrhunderte wurde sie mehrfach
in Mitleidenschaft gezogen, durch äußere
Feinde und Feuersbrünste. So wurde sie
1248 von den Lübeckern verbrannt, dann
brannte sie wieder 1314 ab, zum vierten
Mal, sagt die Inschrift eines Tympanons.
Unter Erik Merved wurde sie erneuert und
1320 geweiht; 1368 wurde sie erneut von
den Lübeckern geplündert. Der große Turm
der Kirche wurde unter der Regierungszeit
des Königs Hans errichtet. Alle dänischen
Könige und Königinnen von Christian I.
(1426-81) an bis zum Absolutismus sind in
der Marienkirche gekrönt worden. Bei der
Gründung der Kopenhagener Universität 1479
wurden Rektor und Dozenten von der
Priesterschaft der Kirche gewählt. Im Zug
der Reformation wurde die Kirche am
Weihnachtstag 1530 von den Bürgern der
Stadt unter dem Anführer Ambrosius
Bogbinder gestürmt; mit der Einführung der
Reformation wurde der Bischofssitz
Seelands nach Kopenhagen verlegt, und
Bugenhagen setzte hier am 2. September
1539 den neuen Bischof ein.
Bei einem Großfeuer in Kopenhagen 1728
brannte die Turmspitze ab, und auch die
Kirche selbst wurde stark zerstört. Der
Nachfolgebau,
eine
Barockkirche, wurde 1738 von Bischof P.
Hersleb geweiht. Aber auch diese Kirche
wurde zerstört, und zwar durch ein
Bombardement der Engländer am 5. September
1807. Im folgenden Jahr erhielt der
Landbaumeister in Holstein, Christian
Frederik Hansen (1756-1845), den Auftrag,
eine neue Kirche unter Verwendung von
Bauteilen der alten Kirche zu bauen. Er
war von der italienischen Architektur, den
antiken Bauten Roms wie auch von Palladio
stark inspiriert. Der Grundstein für den
Altar wurde 1817 von König Frederik VI.
gelegt, und zu Pfingsten 1829 konnte sie
geweiht werden. Die Kirche ist mit dem
Chorumgang 83 m lang und 33 m breit, das
25 m hohe Gewölbe wird von 28 Säulen
getragen. Der dänische Bildhauer Bertel
Thorvaldsen (1770-1844) wurde mit der
inneren Ausschmückung der Kirche
beauftragt. Die Skulpturen wurden in
seinem Atelier in Rom geschaffen, zunächst
1828 in Gips gefertigt und dann zwischen
1838 und 1848 als Marmorskulpturen
aufgestellt. Im Altarraum steht der
Auferstandene Christus mit den
Kreuzigungsmalen an Händen und Füßen, in
der Mitte des Chors der Taufengel. Die
Statuen der zwölf Apostel stehen an den
Wänden des Langhauses. Der Turm der Kirche
ist 60 m hoch; unter seinen vier Glocken
findet sich die Sturmglocke, mit 4025 kg
die größte Glocke Dänemarks, gegossen
1828. Die kleinste Glocke ist auch
Kopenhagens älteste, sie stammt aus dem
Jahr 1490 und hing früher in der
Klosterkirche von Antvortskov. Seit 1924
ist Vor Frue Kirke offiziell die
Domkirche zu Kopenhagen.
1998
feierte
die Stadt Roskilde im Norden der
Insel Seeland ihr 1000jähriges Bestehen;
die am 26. März 1998 ausgegebene Marke
zeigt den Dom von Roskilde. Roskilde ist
damit, nach Ribe (s. GABRIEL 12/2010) und
Odense die drittälteste dänische Stadt.
Roskilde entstand zur Zeit der Einigung
Dänemarks unter König Harald Blauzahn
(910-987) und war politische und
kirchliche Hauptstadt des Reichs.1020
wurde Roskilde zum Bischofssitz erhoben,
und schon 1150, als die Stadt von Wällen
und Gräben umgeben wurde, gab es in ihr 12
Pfarrkirchen und die mächtige Kathedrale.
Der heutige Dom von Roskilde wurde ab 1170
unter Bischof Absalon im romanischen Stil
errichtet, als großer Backsteinbau, der
als erster Dom aus Backstein angesehen
wird und zur Verbreitung des Backsteinbaus
maßgeblich beigetragen hat. Der Bau der
Kirche wurde 1280 mit dem gotischen Chor
beendet. In den folgenden Jahrhunderten
wurden viele Kapellen innen und außen
angebaut, ursprünglich verschiedenen
Heiligen geweiht, später als Grabkapellen
und Mausoleen der Könige verwendet.
Mit der Reformation verschwand 1536 die
wohlhabende Priesterschaft aus der Stadt,
aber der Dom behielt seine Funktion als
königliche Grablege: Von Harald Blauzahn
an befinden sich hier die Gräber von 21
dänischen Königen und 17 Königinnen, so
Margarethe I. (ursprünglich in Sorø
begraben, aber 1413 nach Roskilde
überführt), Christian IV. und Friedrich
IX. Nicht nur Könige fanden ihre letzte
Ruhestätte im Dom zu Roskilde, sondern der
Boden ist auch mit Hunderten von
Grabplatten bedeckt; ebenso befinden sich
Gräber in der Krypta. Bemerkenswert ist
auch der nachreformatorische Hauptaltar
von 1560. Es ist ein Antwerpener Retabel
und zeigt in detailreicher Schnitzerei
Szenen aus der Kindheit und der Passion
Jesu mit der Kreuzigung. Eine Kuriosität
in der Kirche ist die sog. Königssäule,
auf der die Körpergrößen verschiedener
europäischer Herrscher eingezeichnet sind:
Christian I. übertrifft mit 2,19 m noch
den Zaren Peter den Großen mit seinen 2,08
m.
Die Stadt Roskilde selbst erlebte erst vom
19. Jh. an wieder einen Aufschwung – die
erste dänische Eisenbahn wurde z. B. 1847
zwischen Kopenhagen und Roskilde gebaut.
Heute ist sie einer der größten dänischen
touristischen Anziehungspunkte – auch das
auf der Marke abgebildete Wikingerschiff
weist das Museum hin, in dem Schiffe
ausgestellt sind, die in den 1960er und
1990er Jahren ausgegraben werden konnten,
darunter das mit 36 m Länge längste bisher
aufgefundene Langschiff.
Neben der erwähnten dänischen Marke (Mi
1174) bilden wir eine Marke aus Russland
(Mi 370) und Uganda (Mi1265) ab.
Dr.
Gerhard J. Teschner |