Sakrale norddeutsche Backsteingotik
Am 1. April 2010 gab die in Lübeck
ansässige NordBrief, die im Mai 2009 ihre
Tätigkeit als Zustellservice von Lübecker
Nachrichten und Ostsee-Zeitung zunächst
für Geschäftskunden aufnahm,
ihre erste
Briefmarkenserie heraus, die vom bekannten
Rostocker Grafiker Jochen Berthold
gestaltet wurde. Die fünf Marken zeigen
markante Bauten der sakralen norddeutschen
Backsteingotik, der Anlass für den
Verfasser, dieses Thema vorzustellen.
Der Grund für das Entstehen dieser
Sonderform gotischer Bauten dürfte bekannt
sein - das Fehlen von Natursteinvorkommen
im Küstengebiet zwischen Nord- und Ostsee
zum Errichten sakraler
und repräsentativer profaner Bauten. So wurde
schon zur Zeit der Romanik auf gebrannte
Ziegel, sog.
"Backstein" zurückgegriffen; die Klosterkirche in Jerichow und der Ratzeburger Dom seien als Beispiele
genannt.
In der Zeit der Gotik entstanden neben den
Kirchen auch viele bis heute erhaltene
Profanbauten. Philatelistisch belegbar
sind das Treptower Tor in Neubrandenburg
(Bund Mi 496), das Alte Rathaus in
Hannover (Bund
Mi 416) und die Rathäuser
in Tangermünde (DDR Mi 1434) und Stralsund
(DDR Mi 1246, Bund Mi 2615).
Hinzu kommen auf DDR Mi 1385 aus Rostock
das Steintor, das Kröpeliner
Tor und
das
Rathaus, das spätgotische
Steintor noch einmal auf DDR Mi 2871
(deutlich erkennbar die
Renaissance-Einfassungen der Durchfahrt
und die kleinen Ziergiebel) und das
ursprünglich gotische Rathaus
(DDR Mi 2869), um 1270 begonnen, um 1500
vollendet mit einem Gesims aus
Ziegelmauerwerk mit 7 Spitztürmchen
nach dem Vorbild des Rathauses in Lübeck;
1727 wurde der barocke Vorbau errichtet,
der nur den oberen Teil sichtbar ließ. In
diesem Zusammenhang eine Korrektur zum
Gabriel-Lexikon: Bei der unter dem
Stichwort "Rostock" angegebenen Marke DDR
Mi 634 handelt es sich nicht um
Kirchtürme, sondern um den stilisierten
gotischen Giebel dieses alten Rathauses.
Abbildungen sakraler Backsteingotik sind
bisher wesentlich seltener zu finden
gewesen. Die DDR verwendete in der ersten
Bautenserie 1967 ein Motiv der Ruine des
ehem. Zisterzienserklosters Chorin
(errichtet 1273-1334; Mi 1247), und die
Bundespost nahm das 800-jährige Jubiläum
zum Anlass für eine Marke
mit dem Lübecker
Dom (Mi 779), der 1173-1247 als romanische
Basilika errichtet, aber nach 1266 zur
gotischen Hallenkirche umgebaut wurde.
Bald nach der politischen Wende wurde in
Rostock mit dem Bau des Turmhelms der im
2. Weltkrieg zerstörten St. Petrikirche
begonnen, und zur Finanzierung wurde u.a.
auch eine nicht postalische Spendenmarke
verkauft (hier gestempelt als
Zusatzfrankatur auf einem Brief aus
München), die die NO-Ansicht der in der
ersten Hälfte des 14. Jh. errichteten
dreischiffigen Basilika ohne Querschiff
zeigt. Auch die St. Georgen-Kirche in
Wismar kam 2007 als Objekt des
Weltkulturerbes zu philatelistischen Ehren
(Mi 2615), s. GABRIEL 2007, S. 175f und
Titelblatt 8/2007. Hinzu kam auch die
Marke für 750 Jahre Greifswald (Mi 2111),
auf der gleich zwei Backsteinkirchen zu
sehen sind: der Dom St. Nikolai und die
Marienkirche. Der Domturm ist ebenfalls
Gegenstand einer Marke der Dauerserie
„Sehenswürdigkeiten“, Mi 2157. Nicht
vergessen wollen wir auch das
Katharinenkloster in Stralsund, dessen
schöne Backsteinfassade auf der Marke für
das Meeresmuseum in Stralsund abgebildet
ist (Mi 2195).
Nun bereichern
fünf weitere Motive diesen Teil der
gotischen Baukunst, davon vier mit
Kirchen, die Maria als Patronin haben. Die
Marke zu 0,40 € als Postkartenporto zeigt
den Ostchor der ehemaligen Abteikirche des
Zisterzienserklosters Bad Doberan, das
1186 gegründet wurde. Sofort nach dem
Brand der romanischen Kirche 1291 wurde
mit dem hochgotischen Neubau begonnen, der
1368 als Marienkirche geweiht wurde. Die
Stadt Bad Doberan hatte zum 800-jährigen
Bestehen 1986 eine Karte drucken lassen,
die die Südansicht der dreischiffigen
Basilika mit Querschiff und Chor mit
Umgang und Kapellenkranz zeigt; im
Sonderstempel
ist das Wappen der Stadt abgebildet: mit
dem Abtsstab geteiltes Schild, oben ein
Hirsch und unten ein Schwan, die an die Gründungslegende des
Klosters erinnern.
Die Marke zu 1,30 € für Großbriefe zeigt
die Turmseite der Marienkirche Rostock,
mit deren Bau um 1290 begonnen wurde, also
fast gleichzeitig mit dem Doberaner
Münster, ebenso wie dieses als
dreischiffige Basilika mit einem
gewaltigen Querschiff (auf der Marke - und
beim Betreten der Kirche durch den im
Süden gelegenen Haupteingang - wie das
Hauptschiff wirkend), sowie ebenfalls mit
Chorumgang und Kapellenkranz. Der untere
Teil des Turms wurde vom Vorgängerbau
übernommen und sollte - wie die Lübecker
Marienkirche - zweitürmig ausgeführt
werden, jedoch entschloss man sich dann zu
der ungewöhnlichen Zusammenführung.
Hier die Marken Gotik 11 bis 14 abbilden,
Seitenbreite
Die Marke zu 0,80 € für den Kompaktbrief
zeigt die Nordwest-Ansicht
der Lübecker Marienkirche, der
Mutterkirche der norddeutschen
Bachsteingotik, nach ihrem Vorbild wurden
auch die
Marienkirchen in Doberan und Rostock
gebaut. - Mit dem Bau wurde 1250 begonnen,
1280 - 1310 entstand der Chor, 1330 war
das Langhaus der dreischiffigen Basilika
vollendet, das mit 38,5 m Höhe bei einer
Mittelschiffbreite von 14,1 m und einem
Verhältnis von 1 : 2,6 dieselben
Maße
und dasselbe Verhältnis hat wie die
Kathedrale von Reims. - Beim Wiederaufbau
nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg wurden
unter der weißen Farbe Fresken entdeckt
und restauriert, von denen der "Engel
zwischen zwei Pilgern" auf der Ausgabe zum
700-jährigen Bestehen der Kirche
wiedergegeben wurden (Bund Mi 139/40).
Entgegen mancher Angaben gehören diese
Malereien nicht zu den Malereien, die am
Beginn der 1950er Jahre von dem Maler
Lothar Malskat
gefälscht und später entfernt wurden.
Die Marke zu 0,50 € für den Standardbrief
bildet die jüngste der vier Marienkirchen
ab, das in Stralsund stehende Hauptwerk
der norddeutschen Spätgotik. Nach dem
Einsturz des Vorgängerbaus wurde der
riesige Neubau 1382 begonnen, 1416-73
wurde das Westwerk errichtet und der Helm
1478 aufgesetzt. Die dreischiffige
Basilika mit Chorumgang und Kapellenkranz
ist neben dem Schweriner Dom die einzige
mit einem dreischiffigen Querschiff.
Unter Verwendung einiger Teile eines
Vorgängerbaus wurde mit dem Bau der St.
Nikolai-Kirche neben dem gotischen
Rathaus als Kirche des Rates und der
Patrizier Stralsunds im Jahr 1270
begonnen. Die reich ausgestattete
Basilika mit Chorumgang und
Kapellenkranz ist 85,70 m lang, das
Mittelschiff 12,90 m breit und 29 m hoch;
sie wurde um 1350 vollendet. Die
ursprünglichen spitzen Helme der doppeltürmigen Westfassade wurden 1662
durch Brand vernichtet; 1667 erhielt der
Südturm seine heutige Bekrönung. Die
Kirche ist der erste Nachfolgebau der für
Norddeutschland überaus bedeutsamen
Lübecker Marienkirche.
Die fünfte Marke zu 2,00 € für den
Maxibrief zeigt das Heilig-Geist-Hospital
in Lübeck, das 1286 von Lübecker
Kaufleuten errichtet wurde und eine der
ältesten noch bestehenden
Sozialeinrichtungen der Welt ist.
Ursprünglich standen die Betten der
Hospitalbewohner in der großen
Kirchenhalle - vielleicht vergleichbar mit
dem Hospital in Beaune im Burgund -, auch
damit sie an den Gottesdiensten teilnehmen
konnten. In der Halle wurden Fresken
freigelegt und restauriert, die auf
1320-25 datiert werden.
Diese
Marke wurde auch in einem Block
herausgegeben,
die
anderen
vier
in einem Zusammendruck. Alle fünf Marken gibt es
auch auf jeweils einem FDC mit Zudruck und
Sonderstempel.
Siegfried Prey
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