St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem Mai-GABRIEL 2010

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Romanische Kunst in den Abruzzen: Basilika  U. L. Frau von Collemaggio

Die italienische Post hat am 10. Februar einen ansprechenden Markenblock zu 0,60 € ausgegeben, der auf der Briefmarke die Fassade der romanischen Basilika Santa Maria di Collemaggio in L’Aquila  und auf dem Block-Hintergrund das Hauptportal der Kirche zeigt. Auch der Ersttagsstempel von L’Aquila zeigt, wie allgemein in Italien üblich, noch einmal das Motiv der Briefmarke. Die Kirche, ein Meisterwerk romanischer und gotischer Architektur, steht am Rand der Stadt, am Ende einer großen mit Gras bewachsenen Freifläche.

Im Jahr 1274 reiste ein Eremit aus Morrone, Pietro, später Gründer des Cölestinerordens, durch L’Aquila und nächtigte auf einem nahe gelegenen Hügel, dem Colle di Maggio (Maihügel); hier hatte er einen Traum, in dem ihm die von Engeln umgebene Jungfrau Maria auftrug, hier zu ihrer Ehre ein Kirche zu bauen. 1287 kauften die Cölestiner das Land und begannen im nächsten Jahr mit dem Bau; die noch nicht vollendete Kirche wurde 1289 geweiht. Der Hügel, der der Kirche den Namen gab, existiert nicht mehr, denn das Tal zwischen ihm und der Stadt wurde im Verlauf des 19. Jh. aufgefüllt. In den 1930er Jahren erfolgten weitere Arbeiten, die den Zugang erleichtern sollten.

Am 29. August 1294 wurde Pietro von Morrone hier als Cölestin V. zum Papst gekrönt und erließ anlässlich dieses Akts einen Generalablass von Sündenstrafen für alle, die die Kirche am 28. und 28. August jeden Jahres besuchten, beichteten und bereuten. Der Ablass von St. Cölestin (italienisch Perdonanza di S. Celestino) wird weithin von Kirchenhistorikern als unmittelbarer Vorläufer des Heiligen Jubeljahrs angesehen, das nur 6 Jahre später von Papst Bonifaz VIII. eingeführt wurde. Die örtliche Feier zieht immer noch jedes Jahr Tausende von Pilgern nach L’Aquila. Eine Heilige Pforte, ähnlich der in der Petersbasilika in Rom, wurde im 14. Jh. in die Kirche eingefügt. Die Kirche erfuhr im Lauf des Mittelalters weitere Verschönerungen, wobei die Heiligsprechung Cölestins 1313 und die Überführung seiner Reliquien im Jahr 1327 weitere Anlässe waren. Auch bei dem starken Erdbeben, das L’Aquila am 6. April 2009 heimsuchte, wurde die Kirche in Mitleidenschaft gezogen; neben Risse in den Wänden kam es zum Einsturz des Dachs und der Vierungskuppel, und auch das Papstgrab wurde beschädigt.

Die elegante romanische Fassade erscheint wie eine Wand, mit einem Mittelportal, das im 15. Jh. reicher verziert wurde, sowie zwei Seitenportalen. Jedes Portal besitzt rundbogige Archivolten und hat darüber eine Fensterrosette. Die Hauptdekoration der Fassade besteht jedoch in der Verwendung verschiedenfarbiger Steine, die ein kreuzförmiges Dekor wie eine Tapete bilden. Im übrigen hat diese Fassade keinerlei Bekrönung oder Abschluss, und auch der ehemalige Turm, der bei einem früheren Erdbeben zerstört und abgetragen wurde, ist jetzt ein Stumpf an der rechten Seite der Fassade. Die Rückseite der Kirche ist weit weniger spektakulär, sie zeigt vielmehr ein Konglomerat verschiedener Anbauten aus mehreren Jahrhunderten, vornehmlich aus der Zeit der Gotik.

Das Kircheninnere folgt dem herkömmlichen Bauschema mit einem Mittelschiff und zwei Seitenschiffen, die durch Säulenreihen getrennt sind. Die Bögen tragen eine hohe Decke aus Holz. Der Fußboden der Kirche besteht aus den gleichen roten und weißen Steinen wie die Fassade. 1972 wurde die Basilika einer grundlegenden Restaurierung unterzogen, bei der  man zu dem ursprünglichen romanischen Aussehen zurückkehrte und die über die Jahrhunderte hinzugefügten Teile beseitigte. Auch das Mobiliar der Kirche wurde dabei zum ersten Mal vollständig restauriert.

Das bedeutendste Denkmal der Kirche ist das Papstgrab Cölestins V. im rechten Seitenschiff in der Nähe des Chors. Es wurde von einer Wollhandwerker-Gilde 1517 in Auftrag gegeben und von Girolamo da Vicenza geschaffen; es enthält die sterblichen Reste des Papstes in einem Silberbehälter. Die gegenwärtige Urne wurde am Ende des 2. Weltkriegs von einem Goldschmied aus L’Aquila gefertigt, nachdem die ursprüngliche Urne 1646 von französischen Soldaten gestohlen wurde; auch diese war schon ein Ersatz für die erste 1530 von Prinzen von Oranien entfernte Urne. Das Kircheninnere ist nicht sehr stark dekoriert, besitzt aber Fresken des 14. und 15. Jh. von einem unbekannten örtlichen Künstler, die das Leben der Jungfrau Maria darstellen: Maria zwischen den hll. Agnes und Apollonia, ein Heimgang Mariens, eine Marienkrönung. Außerdem gibt es eine Kreuzigung mit St. Julian (der in L’Aquila besonders verehrt wird), eine freskenbemalte Nische des frühen 16. Jh. mit einer Madonna mit Kind und Heiligen und schließlich vierzehn übergroße Gemälde des 17. Jh. von Karl Ruther, einem Mönch aus Danzig, die Episoden aus dem Leben des hl. Cölestin darstellen.

Zu dem heiliggesprochenen Papst Cölestin ist zu bemerken, dass er wohl seinem Amt nicht gewachsen war und, von den Kardinälen gedrängt, am 13.12.1294, also weniger als ein halbes Jahr nach seiner Krönung, abdankte. Bonifaz VIII. hielt ihn nach einem Fluchtversuch in „lockerer Haft“, bis er am 19.5.1296 verstarb. Seine Heiligsprechung am 5.5.1313 durch den Gegner Bonifaz‘, Clemens V. in Avignon, war ein eher politischer Akt – so ist es verständlich, dass er in jüngster Zeit aus dem Festkalender gestrichen wurde,

Gerhard Teschner

Stand: 01.05.2010       © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.