St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

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Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem März-GABRIEL 2010

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Halberstadt – Dom und Domschatz

Nähert man sich der alten Hansestadt Halberstadt, am Nordrand des Harzes gelegen, beeindrucket immer wieder die Stadtsilhouette mit ihren in den Himmel ragenden Kirchentürmen, die auch auf dem Absenderfreistempel der Stadt zu sehen ist. 
Die beiden hoch aufragenden Türme gehören zum gotischen Dom St. Stephanus und St. Sixtus, die beiden unterschiedlich hohen sind die Türme der Martinikirche und die vier niedrigen gehören zur Liebfrauenkirche. Die Geschichte des Halberstädter Domes geht bis auf Kaiser Karl den Großen zurück. Damit ist der Dom älter als jeder andere im Osten Deutschlands. Ursprünglich war der Sitz des Bistums in Osterwieck, doch schon bald wurde es nach Halberstadt verlegt. Angeblich soll Karl der Große diesen Platz 804 selber bestimmt haben. Er hat angeblich auch die Grenzen des Bistums festgelegt. Sicher ist aber, dass die erste Urkunde des Bistums im Jahre 814 durch Kaiser Ludwig den Frommen, den Sohn Karls, ausgestellt wurde.

Die Lage des Bischofssitzes war günstig. Südlich der reichen Magdeburger Börde und am Kreuzungspunkt verschiedener Straßen gelegen, konnte sich das Bistum rasch entwickeln. Eine der Hauptaufgaben war die Missionierung der Slawen, die östlich von Elbe und Saale, also nicht weit von Halberstadt entfernt, lebten. Im Jahre 859 konnte der erste, karolingische Dom geweiht werden. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 919 entwickelte sich das Nordharzgebiet zum Zentrum des Reiches. Die Könige waren hier zu Hause und im nahen Quedlinburg entstand mit der Pfalz der wichtigste Aufenthaltsort der ottonischen Herrscher. Die Stellung des Halberstädter Bischofs verstärkte sich dadurch noch weiter. Das zehnte Jahrhundert brachte für das Bistum zwei schwere Schläge, im Jahre 965 brach der karolingische Dom zusammen und im Jahre 968 gründete Kaiser Otto I. das Erzbistum Magdeburg. Den Einsturz des Domes konnte man überwinden und bereits im Jahre 992 wurde anlässlich eines Hoftages in Halberstadt der zweite, jetzt ottonische  Dom geweiht. Viel schwerer wirkte sich die Gründung des Erzbistums Magdeburg aus, denn das Bistum Halberstadt hatte umfangreiche Gebiete abzutreten und verlor seine führende Stellung in der Ostmissionierung. Es wundert also nicht, dass im gesamten Mittelalter immer ein Konkurrenzkampf zwischen Halberstadt und Magdeburg bestanden hat. 989 erhielt Halberstadt auch das Markt-, Münz- und Zollrecht und entwickelte sich zur selbständigen Stadt.

So war etwa um 1000 herum der Domplatz entstanden, der sich zwischen dem Dom im Osten und der Liebfrauenkirche im Westen erstreckt. Dieser Platz der sich auf dem Domhügel über der Altstadt erhebt, ist  sicher nicht als eine geplante Anlage anzusehen und der Anlass für die Briefmarkenausgabe 1996 ist nur ein Notbehelf gewesen. Es sollte eine Briefmarke zum 1000. Jahrestag der Verleihung des  Stadtrechtes erscheinen, aber das Jubiläum hatte man schon einige Jahre vorher begangen. Da die Ausgabe aber bereits angekündigt war, hat man das Domplatzjubiläum als Ausgabeanlass benannt.

Westfassade des Halberstädter Domes, Sonderstempel zur Verleihung des Stadtrechtes von 1989 und Sondermarke zum 1000 jährigen Bestehen des Domplatzes mit der Ansicht des Platzes und der drei Kirchen.  In den Auseinandersetzungen zwischen den Staufern und den Welfen erlitt auch Halberstadt schwere Schäden. 1179 eroberte Heinrich der Löwe Halberstadt. Dabei kam  auch der Dom zu Schaden und die Wiederherstellung führte zu verschiedenen Veränderungen. 1220 konnte der Dom erneut nach den Reparaturen geweiht werden, doch bereits 1209 hatte man in Magdeburg mit dem Bau des ersten gotischen Domes auf deutschem Boden begonnen. Hinter Magdeburg wollte man nicht zurückstehen und so begann man ab 1236 mit dem Bau des dritten, jetzt gotischen Domes. Allerdings begann man nicht wie üblich mit dem Chor im Osten sondern mit der Fassade im Westen. 1239 waren bereits die Türme im Bau. Die Weihe des nunmehr dritten Domes in Halberstadt erfolgte im Jahre 1491. Damit war der neue, im Stile der französischen Kathedralgotik entstandene Dom in einer für das Mittelalter relativ kurzen Bauzeit von 250 Jahren entstanden. Da man nie die Baupläne geändert hatte, ist ein absolut stilreiner Bau geschaffen worden. Der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder sagte, sie sei „das wohl reinste deutsche Beispiel einer durch und durch verstandenen Gotik“.

Besonders deutlich wird dies im Innenraum. Die dreischiffige Basilika ist klar gegliedert. Schiffe und Querschiff bilden ein harmonisches Ganzes, das auch durch eine reiche Ausstattung mit plastischen Werken unterstützt wird. Die herrliche Triumphkreuzgruppe gehört noch der Romanik an. Ein spätgotischer Lettner trennt das Kirchenschiff vom Hohen Chor mit dem Hauptaltar und dem reichen Chorgestühl. Hier hingen einmal die romanischen Teppiche. Der Chorumgang besteht praktisch aus gläsernen Wänden. Glücklicherweise haben die gotischen Glasfenster die Bombardierungen im zweiten Weltkrieg überstanden und stellen heute einen einmaligen Schatz dar. Am 8. April 1945 versank Halberstadt nach dem angloamerikanischen Bombenangriff in Schutt und Asche. Auch der Dom und die anderen Kirchen der Stadt wurden schwer getroffen. Bereits 1946 begann man mit dem Wiederaufbau, der 10 Jahre später abgeschlossen war. Im Gegensatz zur historischen Altstadt, die nach der Bombardierung nicht wieder rekonstruiert wurde und von der die noch erhaltenen Reste in der DDR dem Zahn der Zeit zum Opfer fielen, hat man den Dom vorbildlich saniert. Allerdings haben saurer Regen und Umweltgifte dem Bau gewaltig zugesetzt und auch der Untergrund des Domberges bereitet Probleme. Daher findet man heute ständig Baugerüste am Dom.

Der Domschatz war rechtzeitig vor der Bombardierung ausgelagert worden und glücklicherweise weder von den Amerikanern, die z.B. den Quedlinburger Domschatz verschleppten, noch den Russen gefunden worden. Seit 1959 war er für die Öffentlichkeit wieder zugängig, war aber fast nur Insidern bekannt war. Das änderte sich schlagartig im Jahre 2008, nachdem der Domschatz in neue oder rekonstruierte historische Räume ziehen konnte und eine seinem Wert angemessene Bleibe erhielt. Seit diesem Zeitpunkt zieht er Zehntausende von Besuchern an. Woher kommt diese Anziehungskraft? Der Domschatz ist in seiner Art einmalig, denn es ist eine Sammlung, die im liturgischen Gebrauch im Dom zusammengetragen wurde. Alle rund 650 Ausstellungsstücke, die zu sehen sind, wurden im Halberstädter Dom genutzt. Es ist also kein Museum in dem Kunstgegenstände aus vielen Orten zusammengetragen wurden. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, ist es der bedeutendste Domschatz der Welt. Bereits mit der Gründung des Bistums wurde eine Reliquiensammlung aufgebaut. Reliquien stellen daher einen großen Teil des Schatzes dar. Sie waren im Mittelalter wichtige Heiligtümer und jeder Bischof versuchte, die Sammlung zu vergrößern oder bedeutende Reliquien kunstvoll fassen zu lassen. Besonders schön sind die Armreliquiare, die die Gebeine der Heiligen einschließen. Sie sind meist aus vergoldetem Silber und mit zahlreichen Edelsteinen besetzt. Das Reliquiar des heiligen Nikolaus gehört neben dem des heiligen Stephanus, dem der Dom geweiht ist, zu den wertvollsten. Schon im späten zehnten Jahrhundert hatte man mehrere Stephanusreliquien. Durch Bischof Konrad von Krosigk (1201-1208) wurde der Domschatz stark vermehrt. Es war Teilnehmer des vierten Kreuzzuges, der im Jahre 1204 Byzanz plünderte. Zahlreiche liturgische Gegenstände und Reliquien, wie die des heiligen Nikolaus, fanden so den Weg nach Haberstadt und gelangten in den Domschatz. Das Glanzstück der Sammlung byzantinischer Kunstgegenstände ist die Weihbrotschale aus vergoldetem Silber aus dem 11. Jahrhundert. Dieser Diskus gilt als Hauptwerk der mittelbyzantinischen Kunst. Auf dem Boden der Schale sind Christus am Kreuz, Maria und Johannes dargestellt. Die Figuren sind erhabene in sehr hoher Qualität ausgeführt. Die Erzengel Gabriel und Michael befinden sich über dem Kreuz und weisen auf Gottes Sohn. Die Schale wurde im Wachsausschmelzverfahren hergestellt und dann nachgearbeitet.

Die Halberstädter haben immer ihre Kunstgegenstände gesammelt und als nach der Einführung der Reformation 1591 die zahlreichen Altäre im Kirchenschiff entfernt wurden, wurden sie eingelagert. So hat sich der gesamte Bestand erhalten. Auch die Gewänder der Bischöfe wurden aufgehoben und im Laufe der Jahrhunderte kam eine Sammlung von über 90 Gewändern zusammen, die alle vor 1600 entstanden sind. Selbst byzantinische und arabische Stoffe, die älter als 1000 Jahre sind, kann man bewundern.

Eine der Höhepunkte des Domschatzes ist die Teppichkammer. Die beiden langen Teppiche hingen ursprünglich im hohen Chor hinter dem Chorgestühl. Heute sind sie in einer abgedunkelten Kammer zu betrachten und faszinieren noch immer jeden Besucher durch ihre frischen Farben, die noch die ursprünglichen sind. Drei Webteppiche stammen aus romanischer Zeit und stellen die ältesten gewebten Bildteppiche überhaupt dar. Der Abraham-Engel-Teppich ist 10,40 m lang und 1,23 m hoch. Auf ihm wird die Geschichte Abrahams in sechs Szenen geschildert. Den Abschluss bildet der Erzengel Michael, der als Zudruck für die Ganzsache zur 4. OHABRIA ausgewählt wurde. Entstanden ist der Teppich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im nördlichen Harzvorland. Zur gleichen Zeit und im gleichen Gebiet entstand auch der Christus-Apostel-Teppich, der 9,09 m lang und 1,18 m hoch ist. Die Mitte bildet die Darstellung Christus als Weltherrscher. Rechts und links von ihm sind je sechs Apostel auf Thronbänken angeordnet. Das mittlere Bild wurde für den Sonderstempel zur OHABRIA ausgewählt.

Bis zur Bombardierung im April 1945 verfügte Halberstadt über eine der schönsten deutschen Fachwerkaltstadt, doch sie versank im Bombenhagel. Nur in der Unterstadt blieben  Fachwerkhäuser erhalten, die aber während der Zeit der DDR oft Plattenbauten weichen mussten. Das Stadtzentrum wurde auch mit Plattenbauten zugestellt und dort, wo sich einst der Fischmarkt mit dem Rathaus befand, bildete ein wilder Parkplatz die Stadtmitte. Nach der Wende wurde Halberstadt Modellstadt in Sachsen-Anhalt. Das Stadtzentrum wurde neu aufgebaut und eine moderne Einkaufspassage entstand. Am neuen Rathaus baute man liebevoll aus den erhaltenen Resten die historische Ratslaube an und erinnert so an die einstige Pracht der Bischofs- und Hansestadt. Die zweite Ganzsache zur 4. OHABRIA zeigt eine historische Ansicht des Fischmarktes und im Stempel ist die rekonstruierte Ratslaube zu sehen. So kommen auch noch die Martinikirche und die Ratslaube zu philatelistischen Ehren und zeigen die Entwicklung Halberstadts.

Dietrich Ecklebe (AIJP)

Literaturauswahl:

Antz, Sieben Dome –Architektur und Kunst mittelalterlicher Kathedralen, Wettin 2009
Flemming, Lehmann, Schubert, Dom und Domschatz zu Halberstadt, Berlin 1973
Kuoer, Kostbares Mittelalter – Schätze der Gotik in Museen Sachsen-Anhalts, Wettin 2009
Meller, Mundt, Schmuhl (Hrsg.),Der heilige Schatz im Dom zu Halberstadt, Regensburg 2008
Mrusek, Drei deutsche Dome, Dresden 1983
Nickel (Hrsg), Deutsche romanische Bildteppiche aus den Domschätzen zu Halberstadt und Quedlinburg, Leipzig 1970
Richter, Der Domschatz zu Halberstadt, Wettin 2009
Schmolke, Halberstadt, Leipzig 1974
Schüttlöffel, Leuschner, Der Dom zu Halberstadt, München, Berlin 1993
Westphal, Halberstadt – Der Stadtführer, Halle 2002

Stand: 01.03.2010       © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.