Halberstadt – Dom und Domschatz
Nähert
man sich der alten Hansestadt Halberstadt,
am Nordrand des Harzes gelegen,
beeindrucket immer wieder die
Stadtsilhouette mit ihren in den Himmel
ragenden Kirchentürmen, die auch auf dem
Absenderfreistempel der Stadt zu sehen
ist.
Die beiden hoch aufragenden Türme gehören
zum gotischen Dom St. Stephanus und St.
Sixtus, die beiden unterschiedlich hohen
sind die Türme der Martinikirche und die
vier niedrigen gehören zur
Liebfrauenkirche. Die Geschichte des
Halberstädter Domes geht bis auf Kaiser
Karl den Großen zurück. Damit ist der Dom
älter als jeder andere im Osten
Deutschlands. Ursprünglich war der Sitz
des Bistums in Osterwieck, doch schon bald wurde
es nach Halberstadt verlegt. Angeblich
soll Karl der Große diesen Platz 804
selber bestimmt haben. Er hat angeblich
auch die Grenzen des Bistums festgelegt.
Sicher ist aber, dass die erste Urkunde
des Bistums im Jahre 814 durch Kaiser
Ludwig den Frommen, den Sohn Karls,
ausgestellt wurde.
Die Lage des Bischofssitzes war günstig.
Südlich der reichen Magdeburger Börde und
am Kreuzungspunkt verschiedener Straßen
gelegen, konnte sich das Bistum rasch
entwickeln. Eine der Hauptaufgaben war die
Missionierung der Slawen, die östlich von
Elbe und Saale, also nicht weit von
Halberstadt entfernt, lebten. Im Jahre 859
konnte der erste, karolingische Dom
geweiht werden. Mit der Gründung des
Deutschen Reiches 919 entwickelte sich das
Nordharzgebiet zum Zentrum des Reiches.
Die Könige waren hier zu Hause und im
nahen Quedlinburg entstand mit der Pfalz
der wichtigste Aufenthaltsort der
ottonischen Herrscher. Die Stellung des
Halberstädter Bischofs verstärkte sich
dadurch noch weiter. Das zehnte
Jahrhundert brachte für das Bistum zwei
schwere Schläge, im Jahre 965 brach der
karolingische Dom zusammen und im Jahre
968 gründete Kaiser Otto I. das Erzbistum
Magdeburg. Den Einsturz des Domes konnte
man überwinden und bereits im Jahre 992
wurde anlässlich eines Hoftages in
Halberstadt der zweite, jetzt ottonische
Dom geweiht. Viel schwerer wirkte sich die
Gründung des Erzbistums Magdeburg aus,
denn das Bistum Halberstadt hatte
umfangreiche Gebiete abzutreten und verlor
seine führende Stellung in der
Ostmissionierung. Es wundert also nicht,
dass im gesamten Mittelalter immer ein
Konkurrenzkampf zwischen Halberstadt und
Magdeburg bestanden hat. 989 erhielt
Halberstadt auch das Markt-, Münz- und
Zollrecht und entwickelte sich zur
selbständigen Stadt.
So war etwa um 1000 herum der Domplatz
entstanden, der sich zwischen dem Dom im
Osten und der Liebfrauenkirche im Westen
erstreckt. Dieser Platz der sich auf dem
Domhügel über der Altstadt erhebt, ist
sicher nicht als eine geplante Anlage
anzusehen und der Anlass für die
Briefmarkenausgabe 1996 ist nur ein
Notbehelf gewesen. Es sollte eine
Briefmarke zum 1000. Jahrestag der
Verleihung des Stadtrechtes erscheinen,
aber das Jubiläum hatte man schon einige
Jahre vorher begangen. Da die Ausgabe aber
bereits angekündigt war, hat man das
Domplatzjubiläum als Ausgabeanlass
benannt.
Westfassade
des Halberstädter Domes, Sonderstempel zur
Verleihung des Stadtrechtes von 1989 und
Sondermarke zum 1000 jährigen Bestehen des
Domplatzes mit der Ansicht des Platzes und
der drei Kirchen. In den
Auseinandersetzungen zwischen den Staufern
und den Welfen erlitt auch Halberstadt
schwere Schäden. 1179 eroberte Heinrich
der Löwe Halberstadt. Dabei kam auch der
Dom zu Schaden und die Wiederherstellung
führte zu verschiedenen Veränderungen.
1220 konnte der Dom erneut nach den
Reparaturen geweiht werden, doch bereits
1209 hatte man in Magdeburg mit dem Bau
des ersten gotischen Domes auf deutschem
Boden begonnen. Hinter Magdeburg wollte
man nicht zurückstehen und so begann man
ab 1236 mit dem Bau des dritten, jetzt
gotischen Domes. Allerdings begann man
nicht wie üblich mit dem Chor im Osten
sondern mit der Fassade im Westen. 1239
waren bereits die Türme im Bau. Die Weihe
des nunmehr dritten Domes in Halberstadt
erfolgte im Jahre 1491. Damit war der
neue, im Stile der französischen
Kathedralgotik entstandene Dom in einer
für das Mittelalter relativ kurzen Bauzeit
von 250 Jahren entstanden. Da man nie die
Baupläne geändert hatte, ist ein absolut
stilreiner Bau geschaffen worden. Der
Kunsthistoriker Wilhelm Pinder sagte, sie
sei „das wohl reinste deutsche Beispiel
einer durch und durch verstandenen Gotik“.
Besonders
deutlich wird dies im Innenraum. Die
dreischiffige Basilika ist klar
gegliedert. Schiffe und Querschiff bilden
ein harmonisches Ganzes, das auch durch
eine reiche Ausstattung mit plastischen
Werken unterstützt wird. Die herrliche
Triumphkreuzgruppe gehört noch der Romanik
an. Ein spätgotischer Lettner trennt das
Kirchenschiff vom Hohen Chor mit dem
Hauptaltar und dem reichen Chorgestühl.
Hier hingen einmal die romanischen
Teppiche. Der Chorumgang besteht praktisch
aus gläsernen Wänden. Glücklicherweise
haben die gotischen Glasfenster die
Bombardierungen im zweiten Weltkrieg
überstanden und stellen heute einen
einmaligen Schatz dar. Am 8. April 1945
versank Halberstadt nach dem
angloamerikanischen Bombenangriff in
Schutt und Asche. Auch der Dom und die
anderen Kirchen der Stadt wurden schwer
getroffen. Bereits 1946 begann man mit dem
Wiederaufbau, der 10 Jahre später
abgeschlossen war. Im Gegensatz zur
historischen Altstadt, die nach der
Bombardierung nicht wieder rekonstruiert
wurde und von der die noch erhaltenen
Reste in der DDR dem Zahn der Zeit zum
Opfer fielen, hat man den Dom vorbildlich
saniert. Allerdings haben saurer Regen und
Umweltgifte dem Bau gewaltig zugesetzt und
auch der Untergrund des Domberges bereitet
Probleme. Daher findet man heute ständig
Baugerüste am Dom.
Der
Domschatz war rechtzeitig vor der
Bombardierung ausgelagert worden und
glücklicherweise weder von den
Amerikanern, die z.B. den Quedlinburger
Domschatz verschleppten, noch den Russen
gefunden worden. Seit 1959 war er für die
Öffentlichkeit wieder zugängig, war aber
fast nur Insidern bekannt war. Das änderte
sich schlagartig im Jahre 2008, nachdem
der Domschatz in neue oder rekonstruierte
historische Räume ziehen konnte und eine
seinem Wert angemessene Bleibe erhielt.
Seit diesem Zeitpunkt zieht er
Zehntausende von Besuchern an. Woher kommt
diese Anziehungskraft? Der Domschatz ist
in seiner Art einmalig, denn es ist eine
Sammlung, die im liturgischen Gebrauch im
Dom zusammengetragen wurde. Alle rund 650
Ausstellungsstücke, die zu sehen sind,
wurden im Halberstädter Dom genutzt. Es
ist also kein Museum in dem
Kunstgegenstände aus vielen Orten
zusammengetragen wurden. Von diesem
Gesichtspunkt aus gesehen, ist es der
bedeutendste Domschatz der Welt. Bereits
mit der Gründung des Bistums wurde eine
Reliquiensammlung aufgebaut. Reliquien
stellen daher einen großen Teil des
Schatzes dar. Sie waren im Mittelalter
wichtige Heiligtümer und jeder Bischof
versuchte, die Sammlung zu vergrößern oder
bedeutende Reliquien kunstvoll fassen zu
lassen. Besonders schön sind die
Armreliquiare, die die Gebeine der
Heiligen einschließen. Sie sind meist aus
vergoldetem Silber und mit zahlreichen
Edelsteinen besetzt. Das Reliquiar des
heiligen Nikolaus gehört neben dem des
heiligen Stephanus, dem der Dom geweiht
ist, zu den wertvollsten. Schon im späten
zehnten Jahrhundert hatte man mehrere
Stephanusreliquien. Durch Bischof Konrad
von Krosigk (1201-1208) wurde der
Domschatz stark vermehrt. Es war
Teilnehmer des vierten Kreuzzuges, der im
Jahre 1204 Byzanz plünderte. Zahlreiche
liturgische Gegenstände und Reliquien, wie
die des heiligen Nikolaus, fanden so den
Weg nach Haberstadt und gelangten in den
Domschatz. Das Glanzstück der Sammlung
byzantinischer Kunstgegenstände ist die
Weihbrotschale aus vergoldetem Silber aus
dem 11. Jahrhundert. Dieser Diskus gilt
als Hauptwerk der mittelbyzantinischen
Kunst. Auf dem Boden der Schale sind
Christus am Kreuz, Maria und Johannes
dargestellt. Die Figuren sind erhabene in
sehr hoher Qualität ausgeführt. Die
Erzengel Gabriel und Michael befinden sich
über dem Kreuz und weisen auf Gottes Sohn.
Die Schale wurde im
Wachsausschmelzverfahren hergestellt und
dann nachgearbeitet.
Die
Halberstädter haben immer ihre
Kunstgegenstände gesammelt und als nach
der Einführung der Reformation 1591 die
zahlreichen Altäre im Kirchenschiff
entfernt wurden, wurden sie eingelagert.
So hat sich der gesamte Bestand erhalten.
Auch die Gewänder der Bischöfe wurden
aufgehoben und im Laufe der Jahrhunderte
kam eine Sammlung von über 90 Gewändern
zusammen, die alle vor 1600 entstanden
sind. Selbst byzantinische und arabische
Stoffe, die älter als 1000 Jahre sind,
kann man bewundern.
Eine
der Höhepunkte des Domschatzes ist die
Teppichkammer. Die beiden langen Teppiche
hingen ursprünglich im hohen Chor hinter
dem Chorgestühl. Heute sind sie in einer
abgedunkelten Kammer zu betrachten und
faszinieren noch immer jeden Besucher
durch ihre frischen Farben, die noch die
ursprünglichen sind. Drei Webteppiche
stammen aus romanischer Zeit und stellen
die ältesten gewebten Bildteppiche
überhaupt dar. Der Abraham-Engel-Teppich
ist 10,40 m lang und 1,23 m hoch. Auf ihm
wird die Geschichte Abrahams in sechs
Szenen geschildert. Den Abschluss bildet
der Erzengel Michael, der als Zudruck für
die Ganzsache zur 4. OHABRIA ausgewählt
wurde. Entstanden ist der Teppich in der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im
nördlichen Harzvorland. Zur gleichen Zeit
und im gleichen Gebiet entstand auch der
Christus-Apostel-Teppich, der 9,09 m lang
und 1,18 m hoch ist. Die Mitte bildet die
Darstellung Christus als Weltherrscher.
Rechts und links von ihm sind je sechs
Apostel auf Thronbänken angeordnet. Das
mittlere Bild wurde für den Sonderstempel
zur OHABRIA ausgewählt.
Bis zur Bombardierung im April 1945
verfügte Halberstadt über eine der
schönsten deutschen Fachwerkaltstadt, doch
sie versank im Bombenhagel. Nur in der
Unterstadt blieben Fachwerkhäuser
erhalten, die aber während der Zeit der
DDR oft Plattenbauten weichen mussten. Das
Stadtzentrum wurde auch mit Plattenbauten
zugestellt und dort, wo sich einst der
Fischmarkt mit dem Rathaus befand, bildete
ein wilder Parkplatz die Stadtmitte. Nach
der Wende wurde Halberstadt Modellstadt in
Sachsen-Anhalt. Das Stadtzentrum wurde neu
aufgebaut und eine moderne Einkaufspassage
entstand. Am neuen Rathaus baute man
liebevoll aus den erhaltenen Resten die
historische Ratslaube an und erinnert so
an die einstige Pracht der Bischofs- und
Hansestadt. Die zweite Ganzsache zur 4.
OHABRIA zeigt eine historische Ansicht des
Fischmarktes und im Stempel ist die
rekonstruierte Ratslaube zu sehen. So
kommen auch noch die Martinikirche und die
Ratslaube zu philatelistischen Ehren und
zeigen die Entwicklung Halberstadts.
Dietrich Ecklebe (AIJP)
Literaturauswahl:
Antz, Sieben Dome –Architektur und Kunst
mittelalterlicher Kathedralen, Wettin 2009
Flemming, Lehmann, Schubert, Dom und
Domschatz zu Halberstadt, Berlin 1973
Kuoer, Kostbares Mittelalter – Schätze der
Gotik in Museen Sachsen-Anhalts, Wettin
2009
Meller, Mundt, Schmuhl (Hrsg.),Der heilige
Schatz im Dom zu Halberstadt, Regensburg
2008
Mrusek, Drei deutsche Dome, Dresden 1983
Nickel (Hrsg), Deutsche romanische
Bildteppiche aus den Domschätzen zu
Halberstadt und Quedlinburg, Leipzig 1970
Richter, Der Domschatz zu Halberstadt,
Wettin 2009
Schmolke, Halberstadt, Leipzig 1974
Schüttlöffel, Leuschner, Der Dom zu
Halberstadt, München, Berlin 1993
Westphal, Halberstadt – Der Stadtführer,
Halle 2002 |