Die Abtei
Royaumont in der Ile de France
Royaumont war die größte
Zisterzienserabtei der Ile de France; sie
wurde zwischen 1228 und 1235 unter der
Herrschaft Ludwigs IX. errichtet. Als
Gründung des später heiligen Königs Ludwig
wurde die Abtei einem Gelübde seines
Vaters entsprechend an einem Ort namens
Cuimont erbaut, der später in Mons Regalis,
Königsberg, oder Royaumont genannt wurde.
Ihr Status als königliche Abtei verlieh
ihr außergewöhnliche Privilegien: sie
stand nicht unter der Abhängigkeit einer
der „Töchter“ von Cîteaux wie die Abteien
von La Ferté, Pontigny, Clairvaux und
Morimond, sondern unterstand unmittelbar
der Mutterabtei Cîteaux. Schon bald nach
ihrer Gründung zählte sie 140 Mönche. Mit
den häufigen Aufenthalten der Könige umgab
sie eine gewisse Weltläufigkeit. Neben den
zahlreichen Exerzitien, während der der
König wie ein Mönch lebte, wurde Royaumont
auch zur königlichen Grabstätte. der König
ließ dort einen Bruder und drei seiner
Kinder bestatten.
Die
Abtei ist ein offener Ort und dem
königlichen Willen unterworfen, sie
empfängt den Dominikaner Vincent de
Beauvais, Lehrer der Königskinder. Es ist
wahrscheinlich, dass die Bibliothek von
Royaumont eine Rolle in der Schaffung der
Enzyklopädie Speculum Majus
gespielt hat. Während der Dauer seiner
Herrschaft unterstützt der hl. Ludwig
Royaumont mit Geld- und
Grundstücksstiftungen, aber auch mit
Rechten und Vorteilen aller Art. 1235
gewährt der König eine Jahresrente von 500
Pfund für den Unterhalt von mindestens 60
Mönchen. Einer der Biographen des Königs
erwähnt einige Jahre später etwa hundert
Mönche und etwa vierzig Laienbrüder. Nach
dem Tod des Königs ist der Abt einer der
Testamentsvollstrecker, und die Abtei
erhält ein Drittel der königlichen
Bibliothek und darum eine der
bestausgestatteten des Königreichs. Das
mönchische Leben verfällt in der Folge
sehr rasch, da kein weiterer König der
Abtei die Bedeutung zumisst wie der hl.
Ludwig. Die Situation verschlechtert sich
noch im Lauf des Hundertjährigen Kriegs:
die Abteien verfügen nicht über den Schutz
der Burgen, und Royaumont wird ständig
erpresst. Zu Beginn des 15. Jh. wird die
Abtei in den Generalkapiteln des Ordens
als Abtei in Ruinen geführt. Die Gebäude
sind zwar nicht zerstört, aber die
Ländereien sind verwüstet. 1473 zerstört
ein Brand das Dach und den Turm der
Kirche; die Reparaturen werden erst am
Beginn des 16. Jh. ausgeführt.
Der Wohlstand scheint immerhin nach den
Unruhen zurückzukehren, aber die
Umwandlung der Abtei in eine Kommende 1549
gefährdet diese Erneuerung. Der letzte
Kommende-Abt von Royaumont führt ein dem
Klosterideal diametral entgegengesetztes
Leben. Henri-Eléonore-François Le Cornut
de Ballivières ist der Kaplan des Königs
und lebt die meiste Zeit am Hof in
Versailles. Aber er begibt sich auch nach
Royaumont, das er vom zukünftigen Zar Paul
I. und dem Schwedenkönig Gustav III.
besichtigen lässt. Die Räume, über die er
verfügt, entsprechen nicht seinem
Lebensstil noch dem seiner illustren
Gäste. Der Abt de Ballivières lässt 1785
einen glänzenden neo-klassischen
Abtspalast errichten, der vom Kleinen
Trianon und den Villen Palladios in
Venetien inspiriert ist. Die neue Residenz
ist 1789 bezugsfertig, aber er kann nicht
lange davon profitieren, da er schon zum
Beginn der Französischen Revolution ins
Ausland flieht. Im Mai 1790 erstellen die
Vertreter der Stadt Asnières ein Inventar
der Güter und Einkünfte der Abtei. Die
letzten Mönche, kaum ein Dutzend, werden
vertrieben; fünf von ihnen, die ein
mönchisches Leben fortführen wollen,
werden in die Abtei von Vaux-de-Cernay in
der Nähe von Versailles geschickt. Die
Gebäude werden als nationales Gut 1791
verkauft. Die Abtei wird von dem Marquis
Jean-Joseph Bourguet de Guilhem de
Travanet, einem Industriellen, gekauft;
die Gebäude werden von all ihren früheren
Gegenständen geräumt und als
Baumwollspinnerei eingerichtet. Die
Arbeiter werden auch für den Abbruch der
Kirche 1792 herangezogen, deren Steine zum
Bau ihrer Wohnungen verwendet. 1815 kauft
eine belgische Familie, Van der Mersch,
die Fabrik, und die Spinnerei wird durch
eine Druckerei ersetzt, die 1860 in
Konkurs geht.
Nach den Wirren der Revolution kehrt der
Zisterzienserorden nicht nach Royaumont
zurück. Aber nach 1860 werden die Gebäude
von einer neuen Kongregation in einem Elan
der Rückkehr zu den christlichen Werten
neu besiedelt. Es handelt sich um die
Oblaten der Unbefleckten Empfängnis
von Marseille, die die Anlage kaufen und
1864 hier einziehen. Sehr schnell bieten
sie die Abtei den Schwestern der
Heiligen Familie von Bordeaux an, die
sie 1869 als ihr Noviziat nutzen. Die
durch die Einrichtung der Spinnerei
verkommenen Gebäude werden nach und nach
restauriert. Das Refektorium, das in
Werkstätten zerteilt war, wird wie der
Großteil der Gebäude der Abtei im
gotischen Stil restauriert. Aber die
Zeiten ändern sich, und die Schwestern
können ihren Traum des Wiederaufbaus der
Kirche nicht verwirklichen: in einem
wachsenden antiklerikalen Umfeld müssen
sie Royaumont 1904 verlassen, ein Jahr vor
dem Gesetz der Trennung von Kirche und
Staat von 1905. Die Abtei wird 1905 von
einem reichen Industriellen gekauft, der
bereits den Abtspalast besitzt. Sie dient
zu Konzerten, und nach dem Zweiten
Weltkrieg als Ort künstlerischer und
intellektueller Treffen; schließlich wird
sie zur Fondation Royaumont pour le
progrès des sciences de l’homme
(Stiftung Royaumont für den Fortschritt
der Wissenschaft vom Menschen).
Die neue französische Briefmarke zeigt
einen Teil der Abteigebäude mit einem
Türmchen im Hintergrund, dem Rest der
Abteikirche.
GJT |