Pienza und Urbino
Zwei in
Italien am 31.10.2008 ausgegebene Marken
würdigen das Val d’Orcia und die Altstadt
von Urbino, zwei Weltkulturerbe-Stätten in
Italien.
Dabei berührt mich als geborenen Ermländer
(das ist der bei der Reformation
katholisch gebliebene Teil Ostpreußens)
vor allem die Geschichte der kleinen Stadt
Pienza in der Toskana persönlich, ist sie
doch der Geburtsort des einzigen
ermländischen Bischofs, der Papst wurde.
Wie das, nie gehört? In besagter Stadt,
damals unter dem Namen Corsignano und ein
Dorf, wurde am 18.10.1405 Enea Silvio
Piccolomini geboren, Spross einer aus
Siena verbannten Familie. Nach einem
Jurastudium in Siena und einer umfassenden
literarischen und humanistischen Bildung
war er 1432 im Gefolge des Kardinals
Domenico Capranica auf dem Konzil in
Basel. 1447 wurde er Bischof von Triest
und 1450 Bischof von Siena. Er war stark
verbunden mit Kaiser Friedrich III. und
bereitete dessen Heirat vor. Trotz seines
Bischofsamts lebte er lange am Wiener Hof,
wurde 1456 Kardinal und schließlich 1457
zum Fürstbischof des Ermlands gewählt.
Aber, leider, es kam nie zur effektiven
Übernahme des Bistums durch den Erwählten,
der am 3.9.1458 zum Papst gewählt wurde,
wobei er den Namen Pius II. annahm.
Pius scheint sich nicht an das Ermland
erinnert zu
haben, wohl aber an
seinen
Geburtsort Corsignano, den er nach seinem
Papstnamen in "Pienza" umtaufte und wo er
die ideale Stadt im Geist der Renaissance
gestalten wollte. Die Umgestaltung des
Orts wurde 1459 von dem Florentiner
Architekten Rosselino begonnen, und die
Hauptbauten wurden innerhalb von drei
Jahren fertiggestellt. Allerdings wurde
die Gesamtplanung nicht abgeschlossen,
nachdem Pius II. 1464 gestorben war.
Rosselino entwarf einen neuen Stadtplatz,
die Piazza Comunale mit den vier
Hauptbauten, die ihn flankieren: den Dom
Santa Maria Assunta, das Rathaus (Palazzo
Publico), den Bischofspalast und den
Palast der Piccolomini-Familie. Der
Bischofspalast war der Wohnsitz des
Kardinals Rodrigo Borgia, des späteren
Papstes Alexander VI. Der
Piccolomini-Palast war inspiriert von dem
Florentiner Palazzo Rucellai und das
größte und schönste Bauwerk am Platz. In
ihm befinden sich auch Erinnerungsstücke
an einen weiteren „Bekannten“, den
kaiserlichen Feldmarschall Ottavio
Piccolomini, der etwa 200 Jahre später
lebte und uns vor allem aus Schillers
„Wallenstein“ bekannt ist.
Pienza hat heute etwa 2.200 Einwohner, und
in Knaurs Kulturführer lese ich: „Pienza
ist heute eine ,tote’ Stadt“. Auf der
Marke des Val d’Orcia, des Tals, in dem
Pienza liegt, ist die Fassade des Doms von
Pienza abgebildet. Er wurde von Rosselino
zwischen 1459 und 1462 als dreischiffige
Hallenkirche mit Umgangschor errichtet.
Trotz seiner Renaissance-Fassade ist der
Bau stark an Bauten der nordalpinen Gotik
orientiert, ebenfalls ein Ergebnis der
Reisen Pius II. vor seiner Papstwahl. Die
Ausstattung des Inneren mit toskanischen
Kapitellen zeigt die Übersetzung des
gotischen Raumkonzepts in die
Formensprache der Frührenaissance. Das
unterhalb der Apsis gelegene Baptisterium
gleicht einer Krypta und stammt noch von
dem ursprünglich romanischen Vorgängerbau.
Über das Leben des Enea Silvio Piccolomini,
Pius II., berichten die weltberühmten
Fresken Pinturicchios in der Libreria
Piccolomini der Kathedrale von Siena; sein
Neffe, der spätere Papst Pius III., ließ
diesen Raum 1495 zur Aufbewahrung der
Bibliothek des großen Humanisten, der Pius
II. war, errichten. Wir verweisen
ebenfalls auf die italienische Marke Mi
2431 (Jahr 1996), die die Fassade des Doms
von Pienza und Pius II. zeigt.
Urbino in den Marken hingegen ist eine
Stadt, die auf eine 185 v. Chr. gegründete
römische Siedlung zurückgeht. Die
Briefmarke zeigt im Vordergrund den
Herzogspalast und im Hintergrund Kuppel
und Turm des Doms von Urbino. Unter der
Herrschaft des Herzogs Federico II. von
Montefeltro, der von 1444 bis 1482
regierte, war Urbino einer der
glänzendsten Höfe Italiens.
Anstelle
einer frühmittelalterlichen Kirche
entstand der 1474 begonnene Neubau der
Kathedrale, die erst 1534 vollendet wurde.
Ihre Kuppel wurde 1604 errichtet. Ein
Erdbeben 1789 beschädigte die Kirche
stark, und sie musste weitgehend erneuert
werden, die Fassade wurde 1802 vollendet.
Der Bau des Palazzo Ducale begann 1447
durch Maso di Bartolomeo; Luciano Laurana
setzte 1465 bis 1472 die Arbeiten fort,
und zwischen 1504 und 1508 wurden weitere
Gebäudeteile von Francesco di Giorgio
Martini hinzugefügt. Der Palast ist heute
Sitz der Nationalen Gemäldegalerie der
Region der Marken.
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