St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem Juni-GABRIEL 2009

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Die Kathedrale von Tournai

Die belgische Post hat am 6. April 2009 einen Kleinbogen mit fünf Marken der Tarifstufe 1 herausgegeben, die belgischen Stätten des Weltkulturerbes gewidmet sind. Darunter befindet sich auch eine Marke, die uns einen Blick in das Innere eines der beiden Apsisgewölbe des Querhauses der Kathedrale von Tournai werfen lässt. Da dies nicht das erste Mal ist, dass dieses Gotteshaus zu philatelistischen Ehren kommt, wollen wir die Kathedrale etwas näher betrachten.

Nach der Überlieferung bestand in der Stadt am linken Ufer der Schelde bereits im 3. Jh. eine Kirche, die der hl. Piatus gegründet haben soll. Unter den Merowingern war Tournai sogar für kurze Zeit der Hauptort des Reichs, und in der Mitte des 9. Jh. wurde eine Kathedrale an der Stelle der merowingischen Kirche errichtet. Er fiel einem Normanneneinfall zum Opfer; der danach 881 erbaute Nachfolge-Bau ging 1060 in Flammen auf.

1146 wird Tournai wieder zum Bischofssitz erhoben, und damit entsteht die romanische Kathedrale. Nach dem Sieg des französischen Königs Philipp August über die Engländer bei Bouvines 1214 gelangt Tournai für längere Zeit unter französische Herrschaft. Zeugnis dieses Zustands ist der hochgotische Chor der Kathedrale, das herausragendste Bauwerk der französischen Gotik im Gebiet der Schelde. Der Bauherr ist Bischof Walter von Marvis (1219-51), der allerdings nicht mehr die Fertigstellung dieser 4. Kathedrale 1255 erlebte. Im 14. Jh. wirkten hier 42 Kanoniker, ein Kollegium von 12 Großvikaren und fast 50 Kapläne, die bei Tag und Nacht ohne Unterbrechung das Messopfer feierten. In den Wirren der Reformation wurde die Kathedrale 1566 von aufgebrachten Volksmassen in Brand gesteckt; zur Regierungszeit Ludwigs XIV. war Tournai ein Spielball der europäischen Mächte in den verschiedenen Kriegen, die der Sonnenkönig zur Vergrößerung seines Machtgebiets anzettelte.

Die Kathedrale stellt sich heute als ein freistehendes Großbauwerk dar, das man bei einer „Restaurierung“ 1906 von den sie umschmiegenden Häuschen befreit hat. Die spätromanische Westfassade mit dem basilikalen Querschnitt erhielt um 1300 eine gotische Vorhalle, die erneut 1524-1564 durch einen Neubau der sich auflösenden Gotik ersetzt wurde. Das Innere der Kathedrale beeindruckt mit seiner 130 m langen Raumflucht, in deren Mitte der triumphbogenartige Lettner von 1572 steht. Mit ihm setzte Cornelis de Vriendt eine Trennung des romanischen Lang- und Querhauses gegenüber dem gotischen Chor in Szene. Das Querhaus setzt sich vom dreischiffigen romanischen Langhaus konstruktiv ab und lässt noch mit seinen halbrunden Apsiden die ursprüngliche Bauabsicht einer Dreikonchen-Anlage erkennen, wie wir sie in St. Maria im Kapitol in Köln sehen. Über der Vierung erhebt sich der wuchtige Vierungsturm, der flankiert von den vier Ecktürmen an den Querhausenden, eine herrscherliche Krone bildet und der Stadtsilhouette ihr charakteristisches Aussehen verleiht.

Die ursprüngliche romanische Ostapsis wurde 1242 abgetragen, um den Wunderbau des rein gotischen Chors zu errichten. Dieser Hochchor misst 58 m in der Länge und übertrifft mit seiner Höhe von 47 m die Scheitelhöhe des Langhauses um 14 m. Mehr als 80 Jahre, von 1242 bis 1325, wurde an diesem Chor mit seinen drei Schiffen, sieben Jochen und fünf Chorkapellen gebaut. Vorbilder waren die Kathedralen von Amiens, Köln und Soissons.

Neben der Marke aus dem neuen Block zeigen wir die 1971 ausgegebene Marke Belgiens (Mi 1627) und eine Bildpostkarte von 1934 (Mi P 169); beide bringen einen Blick auf die Kathedrale von Westen mit dem romanischen Langhaus und den fünf Türmen. Der gotische Chor wird nur auf einer kleinen Marke des Jahres 1928 (Mi 245) dargestellt.

GJT  

Stand: 01.06.2009       © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.