Christliche
Kunst in Dijon, der Hauptstadt Burgunds
Mit
einer am 10. April 2006 ausgegebenen Marke
zeigt die Post Frankreichs zwei bedeutende
Kunstdenkmäler der Stadt Dijon: ein Detail
des sogenannten Mosesbrunnens und die
Kathedrale St. Bénigne.
Seit
1805 ist die ehemalige Abteikirche St.
Bénigne die Kathedrale Dijons. Seit dem 3.
Jahrhundert, während dessen der hl.
Benignus unter den Römern den Martyrertod
erlitt, haben an dieser Stelle mehrere
Kirchen auf einem alten Gräberfeld der
Christen gestanden. Im Jahr 511 wurden
seine Überreste in einer Krypta bestattet,
über der 535 eine Basilika errichtet
wurde. Ein Neubau erfolgte 871 und wurde
in die Obhut von Benediktinern gegeben,
die daneben ein Kloster erbauten. Eine
dritte nachweisbare Kirche entstand
zwischen 1002 und 1018 unter Wilhelm von
Volpiano, der mit 12 Mönchen aus dem
Piemont gekommen war. Dieser Bau war zu
seiner Zeit der größte romanische
Kirchenbau Frankreichs; eine Eigenheit war
eine dreistöckige Rotunde, die den Chor
der Kirche bildete. Heute noch besteht ihr
unterstes Stockwerk als Krypta der
gotischen Kirche, die ab 1281, nach dem
Einsturz des Vierungsturms im Februar
1272, vollständig neu erbaut werden mußte.
Diese gotische Kirche war um 1325
vollendet; geweiht wurde sie aber erst am
9. April 1394.
Es handelt sich um einen Bau mit einem
einzigen Schiff, das fünf rechteckige
Joche hat. Vom romanischen Vorgängerbau
blieb das Eingangsportal erhalten, das von
zwei Türmen mit quadratischem Grundriß
eingefaßt wird; die letzte Etage der Türme
ist achteckig ausgeführt. Charakteristisch
für diese Kirche wie auch für andere
berühmte Gebäude in Burgund sind die
Dächer mit glasierten farbigen
Dachziegeln, wie dies auch auf der neuen
Briefmarke zum Ausdruck kommt. Diese
Ziegel, die in geometrischen Mustern mit
den Grundfarben Gelb, Grün, Rot und
Braunschwarz angeordnet sind, folgen
allerdings einer „Tradition“, die erst im
19. Jh. ihren Ursprung hat. Anzumerken ist
schließlich, daß seit 1896 ein Spitzturm
die Vierung der Kathedrale ziert.
Auf der linken Seite der Marke sehen wir
zwei Figuren des sogenannten
„Mosesbrunnens“ aus der ehemaligen
Kartause von Champmol am Stadtrand von
Dijon. Die Herzöge von Burgund stifteten
im Westen ihrer Hauptstadt die Kartause
von Champmol, als Grablege ihrer Dynastie,
deren Bau 1383 begonnen wurde. War der Bau
bereits 1388 vollendet, so zog sich seine
Ausstattung doch noch weit bis ins 15. Jh.
hinein hin. In der Mitte des Innenhofs des
Klosters mit seinen Einzelzellen stand ein
Calvaire*, dessen unterer Teil der heutige
„Mosesbrunnen“ ist.
Dem heutigen Besucher erschließt sich
dieses Kunstwerk erst, wenn er in das
Innere der Anlage des gegenwärtigen
Psychiatrischen Hospitals gelangt; unter
einem „Käfig“ aus Stahl und Glas fristet
es sein Dasein in einer abgelegenen Ecke
des Parks. Kein Geringerer als der
flämische Künstler Claus Sluter hat diesen
Calvaire zwischen 1395 und 1405
geschaffen. Dieser „Mosesbrunnen“ ist der
sechseckige Sockel des Calvaire, dessen
Krönung, die Kreuzigungsszene mit Jesus am
Kreuz, Maria, Johannes und Maria Magdalena
seit der Französischen Revolution
verschwunden ist.
Sechs große Statuen des Mose und der
Propheten David, Jeremia, Sacharja, Daniel
und Jesaja stehen an den sechs Seiten des
Sockels. Es sind Portraits von einem
bewegenden Realismus, das des Mose
wahrscheinlich das am stärksten
beeindruckende und damit wohl auch der
Namensgeber der gesamten Gruppe. Jeder
trägt ein Schriftband mit einer
Prophezeiung, die auf das Leiden Jesu
bezogen ist, ein sechsstimmiger
Klagegesang, der rings um den Sockel zum
Kreuz Christi aufstieg. Auf der Marke
sehen wir Mose, kenntlich an den „Hörnern“
und den Gesetzestafeln, die er in seiner
rechten Hand trägt; neben ihm König David.
Als Beispiel seien hier die Worte der zwei
Gestalten der Briefmarke zitiert, und zwar
für Mose: „Immolabit eum universa
multitudo filiorum Israel ad vesperam –
die gesamte Schar der Söhne Israels soll
es zum Abend opfern“ und für David:
„Foderunt manus meas et pedes meos,
dinumeraverunt omnia ossa mea – sie haben
meine Hände und Füße durchbohrt, alle
meine Gebeine haben sie gezählt“.
GJT
*
Einen Bericht über die
Calvaires (Kalvarienberge) in der Bretagne
finden Sie im GABRIEL, Juli 2006, unter
dem Titel "Plastische Mysterienspiele in
der Bretagne"
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