St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem April-GABRIEL 2006

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Das Madonnen-Siegel der VIADRINA und des Bischofs Dietrich von Lebus

Die Universität VIADRINA in Frankfurt/Oder feiert den 500. Jahrestag ihrer Einweihung. Am 13. April 2006 erscheint dazu eine Sondermarke. Sie und der Ersttagsstempel von Bonn zeigen das Siegel der Universität. Es enthält eine gekrönte Madonna mit ihrem Kind auf dem linken Arm. Nähere Angaben erhielt ich von der Pressestelle der Universität: Die Gründung erfolgte in katholischer Zeit. Das Siegel wurde vom ersten Kanzler der Universität Dietrich von Bülow übernommen, der Bischof von Lebus war. Madonnen-Siegel waren damals gebräuchlich für Universitäten, z.B. in Mainz und München (mit der Patrona Bavariae). Die Madonna "Sedes Sapientiae" (Sitz der Weisheit) zur 550-Jahrfeier der Universität Löwen/Belgien ist hier auch zu nennen.

Mit dem kleinen, heute weitgehend unbekannten Ort Lebus und der Gründung der Universität ist ein Abschnitt gemeinsamer deutsch-polnischer Geschichte in Vergessenheit geraten. Sehr viele Polen, darunter 500 polnische Adlige haben in Frankfurt studiert. Die Universität verband kulturell die Länder diesseits und jenseits der Oder. Daran soll hier erinnert werden, zumal die 1991 wieder eröffnete Europa-Universität VIADRINA sich ihrer internationalen Geschichte durchaus bewußt ist.

Lebus, etwa 5 km flußabwärts von Frankfurt und auch am linken Oder-Ufer gelegen, war einst Zentrum des Lebuser Landes und der gleichnamigen Diözese. In der Grenzzone zwischen Deutschland und Polen mußte sie die Auseinandersetzungen beider Staaten ertragen. Vor 1000 Jahren baute Miezko I. oder sein Sohn Boleslaw II. Chrobry („der Tapfere“) Lebus zu einem bedeutenden Mittelpunkt des Piastenstaates aus. Boleslaw Chrobry nahm den hl. Adalbert gastlich auf, der dann als Missionar in Polen wirkte (GABRIEL 1997, S. 82-86). Boleslaw III. errichtete 1124/25 die Kathedrale St. Adalbert und die Diözese Lebus. Das bisher zum Bistum Posen gehörende Land wurde jetzt mit dem neuen Bistum dem Erzbistum Gnesen unterstellt, in dessen Kathedrale Boleslaw Chrobry den hl. Adalbert 998 hatte beisetzen lassen.

Unter Bischof Lorenz II. von Lebus erhielt der Ort 1226 deutsches Stadtrecht. 1249/50 wurde das Land den Magdeburger Erzbischöfen, die den Diözesan-Patron Adalbert als den ihren betrachteten, und den brandenburgischen Askaniern übereignet. Letztere übernahmen 1287 die Alleinherrschaft im Land. Nach der Gründung von Frankfurt/Oder 1253 verlor das Land Lebus seine Bedeutung.

Das Bistum blieb aber bis 1424 rechtlich dem Erzbistum Gnesen unterstellt. Erst danach kam es zum Erzbistum Magdeburg. Seit seiner Gründung war es durch großen Besitz immer nach Polen orientiert. Die Kathedrale wurde mehrmals zerstört und verlegt, zuletzt 1385 nach Fürstenwalde. In Frankfurt stand das Lebuser Bischofshaus nahe der Marienkirche. Hier wohnte auch Dietrich von Bülow. Sein Nachfolger Georg von Blumenthal (1523-50), auch kurfürstlicher Rat und Kanzler der Universität, ließ auf dem Burgberg in Frankfurt ein neues Schloß erbauen. Seit 1555 wurde das Bistum protestantisch verwaltet und 1571 endgültig säkularisiert .

Ein Privileg zur Gründung der Universität hatte Papst Alexander VI. bereits 1498 erteilt. Ein weiteres erhielt Kurfürst Joachim I. von Brandenburg zwei Jahre später von Kaiser Maximilian. Am 26. April 1506 konnte die Universität eingeweiht werden, deren Juristen die Verwaltung der Mark Brandenburg stützen sollten. Der angesehene Theologe Konrad Koch-Wimpina, geboren in Wimpfen am Neckar, seit 1494 Rektor der Universität Leipzig und erster Rektor in Frankfurt/Oder, prägte sie im Auftrag des Kurfürsten. Als entschiedener, aber versöhnlicher Gegner Luthers ermöglichte er dem Ablaß-Prediger Tetzel hier zu disputieren. Mit dem Tod Konrads 1531 in der Abtei Amorbach endete die Blütezeit der katholischen Universität. Schon als Kronprinz ließ sich Kurfürst Joachim II. bei der Universitäts-Reform von Melanchthon beraten. Nach dem Protest der Viadrina gegen die Gründung der Berliner Universität 1811 wurde sie mit der Universität Breslau vereinigt.

Walter Stephan

Stand: 20.04.2006        © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.