"Gute-Zwecke-Marken" aus den Niederlanden
Seit Jahrzehnten gibt die Post
unseres Nachbarlands Briefmarken mit Zuschlägen aus, die
für wohltätige Organisationen bestimmt sind; dazu
gehören die Sommermarken, die Marken "Voor het Kind" und
Marken zu besonderen Anlässen. Seit einigen Jahren gibt
es auch die sogenannten Dezembermarken, bestimmt für die
Weihnachtspost, wobei der Name „Weihnachtsmarken“ wohl
strikt vermieden wird, damit nur ja kein Postbenutzer
sich in seiner religiösen oder auch nicht religiösen
Auffassung verletzt fühlen möge.
Wie erfreut waren wir aber zum Ende des vorigen Jahres,
als die niederländische Post neben den Dezembermarken
und den personalisierten Dezembermarken eine dritte Art
von Marken ausgab: die "Goede Doelenzegels"– Marken für
den guten Zweck, zum Nennwert von 29 c plus 10 c
Zuschlag. Dabei kann der gute Zweck sogar doppelt
aufgefaßt werden: zum ersten ist das Porto, gültig für
Sendungen zwischen dem 24.11.2005 und dem 6.1.2006 nur
29 c statt der üblichen 39 c, und zum zweiten gehen 10 c
je Marke an einen guten Zweck, d.h. an eine von 10 auf
dem Oberrand des Blocks genannten wohltätigen
Organisationen.
Unsere Freude gründet sich aber vor allem auf den
Motiven dieser 10 Werte, die als selbstklebende Marken
in einem Block zusammengefaßt sind. Es handelt sich
nämlich um Darstellungen aus der Weihnachtsgeschichte
der Bibel aus der Buchmalerei oder der Malerei des 15.,
16. und 17. Jahrhunderts. Wir folgen in der
Markenbeschreibung den Ausführungen des niederländischen
Gildenblatts vom Dezember 2005.
Von links nach rechts bilden jeweils die obere und die
untere Marke ein Ereignis der Weihnachtsgeschichte ab:
-
die Verkündigung an Maria
- Jesu Geburt
- die Anbetung
der Hirten
- die Anbetung der Drei Weisen
- die Flucht
nach Ägypten.
Die Verkündigung an Maria
Die obere Marke zeigt eine
Miniatur aus einem Stunden- und Gebetbuch eines
unbekannten Meisters (des Meisters des
Wodhull-Harberton-Stundenbuchs, der in Delft wirkte) um
1490/1495. Das Bild ist ein Beispiel perspektivischer
Wiedergabe eines Innenraums aus der Zeit um das Ende des
15. Jh. In der Szene sehen wir Einzelheiten wie das
Bett, insgesamt entspricht die Darstellung anderen
Gemälden der gleichen Zeit.
Die Vorlage für die untere Marke ist ebenfalls eine
Miniatur aus einem Stundenbuch eines unbekannten
Meisters, das um 1510 entstanden ist. Auch hier befinden
sich Maria und der Erzengel Gabriel in einer häuslichen
Umgebung, reich mit Vergoldungen ausgestattet; und auch
hier gibt die perspektivische Darstellung den Gestalten
Raum. Der Engel verkündet Maria die Botschaft von der
Empfängnis des Kindes, Maria lauscht mit gefalteten
Händen. Die über dem Engel schwebende Taube symbolisiert
das Wirken des Heiligen Geistes. Der Engel hält in der
linken Hand eine Lilie, während seine Rechte seine
Ansprache unterstützt. Das Gebetbuch auf den Knien
Marias weist darauf hin, daß sie durch den
Verkündigungsengel in ihrer Andacht überrascht wurde.
Jesu Geburt
Die obere Marke gibt eine Tafel
eines mittelrheinischen Altars aus der Zeit von 1405 bis
1414, eine Temperamalerei auf Holz, 74 x 60,5 cm,
wieder. Diese Tafel gehört wie die Vorlage der vierten
Marke der unteren Reihe zu den Resten eines Flügelaltars
eines unbekannten Meisters, die jetzt im Museum des
Katharinenklosters in Utrecht stehen. 1850 nämlich
entdeckte der Geistliche und Kunstkenner Seydell in
einer Dorfkirche im Rhein-Main-Raum zwei Flügel als
einzige Reste eines großen Marienaltars, die an den
Wänden befestigt waren. Bei der Restaurierung wurden die
Flügel so zersägt, daß alle Bildtafeln der Vorder- und
Rückseiten gleichzeitig zu sehen sind.
Maria liegt auf einem Lager im ärmlichen Stall und
drückt das Jesuskind an sich. Dies weist auf ihre
Mutterschaft hin und auf die Menschheit Jesu. Joseph
links im Vordergrund rührt in einem Breitopf, der auf
dem Feuer steht. Einer seiner Füße ist unbekleidet,
Ausdruck der Legende, wonach Joseph einen Socken in
Ermangelung richtiger Windeln zum Wickeln des Kindes
hergegeben hat. Ochs und Esel stehen hinter einem
sarkophagähnlichen Futtertrog.
Das Motiv der unteren Marke beruht auf einem Gemälde von
Adriaen Isenbrant, zwischen 1525 und 1534 in Brügge
angefertigt, Ölfarbe auf Holz (20,8 x 16,8 cm). Mit
diesen Maßen ist die Tafel etwa eineinhalbmal so groß
wie ein Briefumschlag. Diese Art von Bildern waren
Andachtsbilder in den Häusern, vor denen die Familien
beteten. Den Hintergrund des Gemäldes bildet eine
Landschaft. Die Nacktheit des Kindes mit seinen
Geschlechtsmerkmalen, eine im 15. und 16. Jh. übliche
Darstellungsweise, bringt sein verletzliches Menschsein
zum Ausdruck. Der traurige Blick der Mutter gibt bereits
eine Vorahnung auf den späteren Opfertod des Kindes zur
Rettung der Menschheit preis.
Die Anbetung der Hirten
Die Abbildung der oberen Marke
beruht auf einem Tafelbild aus Holz (154,5 x 153,6 cm),
einem Ölgemälde von P. de Grebber, entstanden im Jahr
1633. Von oben links fällt ein helles Licht auf die
beiden Hauptpersonen Maria und das Jesuskind. Die
übrigen Personen, Joseph und die Hirten, werden
unterschiedlich beleuchtet; entsprechend der
Grundauffassung des Barock drücken diese Figuren
Bewegung und Lebendigkeit aus, hervorgehoben wird dies
noch durch den dunklen Hintergrund. Auf dem Tafelbild
selbst, auf der Marke nicht zu erkennen, steht unten vor
der Krippe die Signatur des Malers P. DG 1633; auch die
Schrift auf dem von den Engeln oben links gehaltenen
Band, die Noten eines zweistimmigen „Ehre sei Gott in
der Höhe“ sind nur auf dem Original zu lesen.
Die untere Marke gibt das Mittelstück eins Triptychons
wieder (45,4 x 31,1 cm), das zwischen 1495 und 1504 von
einem Meister van Morrison gemalt wurde. Maria kniet,
ebenso wie zwei Engel, anbetend vor der Krippe mit dem
Jesuskind. Links sehen wir zwei erstaunte Hirten,
während Joseph von rechts zu der Szene hinzutritt.
Hinter den Personen führt eine dreistufige Treppe ins
Freie, und die geöffnete Tür gibt den Blick auf eine
Hügellandschaft frei.
Die Anbetung der Weisen
Wie bereits vermerkt, stammt die
Vorlage für die vierte Marke der oberen Reihe vom
gleichen Altar wie die der zweiten oberen Marke. Auf der
linken Seite thront die gekrönte Maria mit dem
Jesuskind, beide mit einem Heiligenschein versehen. Vor
dem Goldhintergrund des Gemachs treten die Drei Weisen
oder Könige ehrfürchtig auf das Kind zu. Der älteste,
Melchior, hat sich niedergekniet und küßt die eine Hand
des Kindes, das mit der anderen Hand ein Goldstück aus
dem dargebotenen Kelch nimmt. Der zweite König,
Balthasar, schaut gebeugt zu, er hält eine Krone in
seiner Rechten und einen Goldpokal in seiner linken
Hand. Der schwarze Caspar, der den schwarzen Erdteil
verkörpert, bringt einen Pokal, der mit einem Kreuz
bekrönt ist.
Die untere Marke dieser Gruppe zeigt Maria und das Kind
mit zwei der Drei Weisen. Die Markenvorlage ist die
Mitteltafel (104 x 66,5 cm) eines Triptychons, auf dem
Joseph auf dem rechten und Caspar auf dem linken Flügel
abgebildet sind. Das Gemälde wird Pieter Coecke van
Aelst und seiner Werkstatt zugeschrieben und ist
zwischen 1515 und 1524 entstanden. Aus der gleichen
Werkstatt stammen auch ähnliche Bilder wie das hier
gezeigte.
Die Flucht nach Ägypten
Die Abbildung der Flucht nach
Ägypten auf der fünften Marke oben stammt aus einem
Stunden- und Gebetbuch eines unbekannten Meisters,
entstanden in der zweiten Hälfte des 15. Jh. Maria hält
das fest gewickelte Jesuskind in ihren Armen und sitzt
auf dem Esel, den Joseph mit besorgtem Blick auf die
beiden vorwärts führt. Die Konturen der Personen und
ihrer Kleidung sind scharf herausgezeichnet, die Farben
der Gewänder weisen im Gegensatz zu denen der Marke
darunter wenige Schattierungen auf.
Auch die Darstellung der letzten Marke geht auf ein
Stundenbuch zurück, das Werk eines unbekannten Meisters
aus Paris, entstanden im Jahr 1510. Wieder sitzt Maria
mit dem Kind auf dem Esel, frontal zum Betrachter
ausgerichtet. Joseph blickt vor sich auf den Weg, wir
befinden uns in der Umgebung einer mittelalterlichen
Stadt mit Kirchen und Türmen. Am rechten Bildrand stehen
zwei Engel, scheinbar im Gespräch über die Flucht der
Heiligen Familie. Die Farben dieser Miniatur und die
gesamte Ausführung ähneln der der ersten Marke der
unteren Reihe.
Im Mitteilungsblatt der niederländischen Gilde wird
darauf hingewiesen, daß dies das erste Mal ist, daß die
Post Marken mit Malereien ausgibt, die die biblische
Botschaft entsprechend der Lehre der katholischen Kirche
offen, unverblümt und überzeugend zum Ausdruck bringen.
Einen zentralen Platz nimmt darin die Marienverehrung
ein. Ein Einfluß der Reformation, die seit 1517 mit
Luther und Calvin ihren Anfang nahm, ist in diesen
Malereien nicht anzutreffen. Die Post sei immer mit
religiöser Kunst sehr sparsam umgegangen, da man in den
Niederlanden mit derartigen Abbildungen auf Briefmarken
nicht Anstoß erregen wollte. Aus diesem Grunde nannte
man die Dezembermarken auch nicht Weihnachtsmarken. Nach
reiflicher Erwägung und internen Diskussionen hat man
sich aber in diesem Jahr zugetraut, Briefmarken mit
stark religiös gefärbten Motiven herauszugeben.
GJT, nach
Informationen des niederländischen GABRIEL
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