Die "heilige" Stephanskrone Ungarns
Die
ungarische Post hat am 29. August einen Markenblock
mit fünf Marken zu 100 Ft und einer Marke zu 500 Ft
herausgegeben. Die Stephanskrone, bereits bekannt
aus zahlreichen ungarischen Markenausgaben, ziert
den Hauptwert, während die 100 Ft-Marken Details der
Krone zeigen. Das
wichtigste Herrschaftszeichen des ungarischen
Königtums, die sogenannte heilige Stephanskrone,
auch Heilige Krone oder Krone des heiligen Stephan
genannt, wurde allerdings in den letzten Jahren in
unserer Zeitschrift nicht behandelt, und so ist uns
diese Ausgabe ein willkommener Anlaß, auf diese
Krone näher einzugehen.
Die
Christianisierung Ungarns erfolgte um das Jahr 1000,
und zwar von der westlichen, der lateinischen
(römischen) Kirche aus, obwohl auch von
byzantinischer Seite Anstrengungen gemacht worden
waren, die Ungarn für den orthodoxen Glauben zu
gewinnen. Politisch kam es den Ungarn darauf an,
nicht als Vasallenstaat des Heiligen Römischen
Reiches zu gelten, sondern ein eigenständiges
Königtum, das vor allem der römische Papst verleihen
konnte, zu schaffen. Dies geschah übrigens fast
zeitgleich und parallel dazu in Polen. Zum
ungarischen Königtum gehörte natürlich auch eine
Krone, und nach der Überlieferung wurde diese Krone
von Papst Silvester II., dem Vertrauten des
römischen Kaisers Otto III., durch den ungarischen
Bischof Astrik an Stephan I., den späteren Heiligen,
gesandt. Hier sei auch erwähnt, daß Otto III. den
neuen Staatsgründungen in Polen und Ungarn durchaus
positiv gegenüberstand, dachte er doch an ein
Kaisertum für das ganze christliche Europa, in dem
die einzelnen Königreiche jeweils ihren Platz
hatten.
Diese vom
Papst gesandte Krone ist allerdings nicht die
heutige „heilige“ Krone Ungarns. Vielmehr handelte
es sich wohl um einen breiten Goldreif, der von
Juwelen geziert wurde und von drei Lilien bekrönt
war. Diese Krone zumindest trägt Stephan auf dem
gestickten Bild, welches sich auf dem Krönungsmantel
(der ja von ihm gestiftet wurde) befindet. In den
Thronwirren nach dem Tod Stephans, der 1038 ohne
direkte Nachkommen starb, gelangte die Krone als
Beute an den Kaiser Heinrich III., der sie
vermutlich zurück nach Rom gesandt hat.
Woher
stammt also die heute unter dem Namen Stephanskrone
bekannte Krone? Ihre genaue Betrachtung kann dazu
Aufschluß geben. Zunächst ist festzustellen, daß sie
aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen
zusammengesetzt ist. Der untere Teil ist der
sogenannte griechische, der obere der „lateinische“
Teil. Der untere Teil war ursprünglich ein breiter
Reif, der abwechselnd mit Juwelen und Bildern
verziert ist. Über den Rand des Reifs hinaus erhebt
sich vorn und hinten je ein Email-Bild mit
halbkreisförmigem Abschluß, vorn Christus
Allherrscher (Pantokrator), auf dem Block die
unterste 100 Ft-Marke, hinten den griechischen
Kaiser Michael Dukas, auf dem Block die zentrale
Marke. Auf den kleineren Email-Bildern des Reifs
sind unter Christus rechts und links die Erzengel
Michael und Gabriel zu sehen (sehr gut auf dem Block
mit der Stephanskrone von 2001, Mi Bl 264, zu
erkennen), sodann die Heiligen Georg und Demetrius,
Kosmas und Damian, und hinten, unterhalb des Kaisers
Michael seinen Mitregenten Konstantin und den
ungarischen König Geza I., der 1074 auf den Thron
kam und bis 1077 regierte. Diese beiden
Email-Plättchen sehen wir auf dem Block rechts und
links von der zentralen Marke. Die Königsbilder sind
jeweils beschriftet, so daß kein Zweifel an den
Dargestellten besteht, gleiches gilt für Christus
mit den Kurzzeichen IC XC. Zu erwähnen ist, daß die
byzantinischen Kaiser auch noch um das Jahr 1000 den
Titel Basileus Romaion, also König der Römer trugen.
Die griechischen Herrscherbildnisse und das Bild
Gezas I. führen zu der Feststellung, daß die
„griechische“ Krone um 1074 in Byzanz angefertigt
wurde. Auch die typisch in der Ostkirche verehrten
Heiligen weisen auf Byzanz als Ursprung hin.
Die
„lateinische“ Krone ist später auf den griechischen
Teil gesetzt worden. Dazu gehören einmal die auf
beiden Blöcken sehr gut zu erkennenden dreieckigen
und halbkreisförmigen Aufsätze auf dem Reif
(Pinacula) und vor allem die beiden bogenförmigen
Bänder, die sich oben kreuzen. In der Mitte befindet
sich wieder ein Bild des Pantokrator, das aber durch
die zusätzliche Anbringung des Kreuzes ziemlich
zerstört wurde*. Auf den Bändern selbst finden sich
Email-Plättchen mit den Bildnissen von insgesamt
acht Aposteln: Andreas und Petrus, Thomas und
Jakobus, Paulus und Philippus, Johannes und
Bartholomäus. Kunsthistoriker schließen aus der
Tatsache, daß nur acht der zwölf Apostel dargestellt
sind, daß das ursprüngliche Teil (ein Kreuz?, Teil
eines Reliquienschreins?) an den vier Enden um
jeweils noch ein weiteres Apostelbild länger war.
Von den acht Bildern der Krone zeigt der Block auf
der obersten Marke den hl. Thomas, was aus der
lateinischen Beschriftung hervorgeht. Für die
Entstehung dieser aus dem lateinischen und
griechischen Teil zusammengesetzten Krone gibt es
kein verläßliches Datum. Sicher ist, daß es vor 1300
geschah. In der Forschung genannte Daten sind 1100,
1172 und 1270/72 – man weiß es nicht genau. Fast
sieben Jahrhunderte lang wurden die ungarischen
Könige – zuletzt 1916 der Habsburger Karl I. - mit
dieser Krone gekrönt – der „richtige“ Krönungsort
war im Mittelalter Stuhlweißenburg (Székesfehérvár)
-, bis sie in den Wirren der letzten Kriegswochen
1945 in Mattsee im Land Salzburg vergraben wurde und
dann nach den USA gelangte. Erst am 6. Januar 1978
wurden die ungarischen Krönungsinsignien mit ihrem
wertvollsten Stück, der „heiligen“ Stephanskrone
feierlich an Ungarn zurückgegeben.
GJT
Zu dem
schrägen Kreuz der Krone fand ich im „Großen Herder“
von 1905: „Das Kreuz ist wacklig und auf offiziellen
Abbildungen schief“.
Literatur: Kálmán Benda u. Erik Fügedi, Tausend
Jahre Stephanskrone, Budapest 1988.
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