St. Gabriel,
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Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem Dezember-GABRIEL 2005

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Die "heilige" Stephanskrone Ungarns

Die ungarische Post hat am 29. August einen Markenblock mit fünf Marken zu 100 Ft und einer Marke zu 500 Ft herausgegeben. Die Stephanskrone, bereits bekannt aus zahlreichen ungarischen Markenausgaben, ziert den Hauptwert, während die 100 Ft-Marken Details der Krone zeigen. Das wichtigste Herrschaftszeichen des ungarischen Königtums, die sogenannte heilige Stephanskrone, auch Heilige Krone oder Krone des heiligen Stephan genannt, wurde allerdings in den letzten Jahren in unserer Zeitschrift nicht behandelt, und so ist uns diese Ausgabe ein willkommener Anlaß, auf diese Krone näher einzugehen.

Die Christianisierung Ungarns erfolgte um das Jahr 1000, und zwar von der westlichen, der lateinischen (römischen) Kirche aus, obwohl auch von byzantinischer Seite Anstrengungen gemacht worden waren, die Ungarn für den orthodoxen Glauben zu gewinnen. Politisch kam es den Ungarn darauf an, nicht als Vasallenstaat des Heiligen Römischen Reiches zu gelten, sondern ein eigenständiges Königtum, das vor allem der römische Papst verleihen konnte, zu schaffen. Dies geschah übrigens fast zeitgleich und parallel dazu in Polen. Zum ungarischen Königtum gehörte natürlich auch eine Krone, und nach der Überlieferung wurde diese Krone von Papst Silvester II., dem Vertrauten des römischen Kaisers Otto III., durch den ungarischen Bischof Astrik an Stephan I., den späteren Heiligen, gesandt. Hier sei auch erwähnt, daß Otto III. den neuen Staatsgründungen in Polen und Ungarn durchaus positiv gegenüberstand, dachte er doch an ein Kaisertum für das ganze christliche Europa, in dem die einzelnen Königreiche jeweils ihren Platz hatten.

Diese vom Papst gesandte Krone ist allerdings nicht die heutige „heilige“ Krone Ungarns. Vielmehr handelte es sich wohl um einen breiten Goldreif, der von Juwelen geziert wurde und von drei Lilien bekrönt war. Diese Krone zumindest trägt Stephan auf dem gestickten Bild, welches sich auf dem Krönungsmantel (der ja von ihm gestiftet wurde) befindet. In den Thronwirren nach dem Tod Stephans, der 1038 ohne direkte Nachkommen starb, gelangte die Krone als Beute an den Kaiser Heinrich III., der sie vermutlich zurück nach Rom gesandt hat.

Woher stammt also die heute unter dem Namen Stephanskrone bekannte Krone? Ihre genaue Betrachtung kann dazu Aufschluß geben. Zunächst ist festzustellen, daß sie aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist. Der untere Teil ist der sogenannte griechische, der obere der „lateinische“ Teil. Der untere Teil war ursprünglich ein breiter Reif, der abwechselnd mit Juwelen und Bildern verziert ist. Über den Rand des Reifs hinaus erhebt sich vorn und hinten je ein Email-Bild mit halbkreisförmigem Abschluß, vorn Christus Allherrscher (Pantokrator), auf dem Block die unterste 100 Ft-Marke, hinten den griechischen Kaiser Michael Dukas, auf dem Block die zentrale Marke. Auf den  kleineren Email-Bildern des Reifs sind unter Christus rechts und links die Erzengel Michael und Gabriel zu sehen (sehr gut auf dem Block mit der Stephanskrone von 2001, Mi Bl 264, zu erkennen), sodann die Heiligen Georg und Demetrius, Kosmas und Damian, und hinten, unterhalb des Kaisers Michael seinen  Mitregenten Konstantin und den ungarischen König Geza I., der 1074 auf den Thron kam und bis 1077 regierte. Diese beiden Email-Plättchen sehen wir auf dem Block rechts und links von der zentralen Marke. Die Königsbilder sind jeweils beschriftet, so daß kein Zweifel an den Dargestellten besteht, gleiches gilt für Christus mit den Kurzzeichen IC XC. Zu erwähnen ist, daß die byzantinischen Kaiser auch noch um das Jahr 1000 den Titel Basileus Romaion, also König der Römer trugen. Die griechischen Herrscherbildnisse und das Bild Gezas I. führen zu der Feststellung, daß die „griechische“ Krone um 1074 in Byzanz angefertigt wurde. Auch die typisch in der Ostkirche verehrten Heiligen weisen auf Byzanz als Ursprung hin.

Die „lateinische“ Krone ist später auf den griechischen Teil gesetzt worden.  Dazu gehören einmal die auf beiden Blöcken sehr gut zu erkennenden dreieckigen und halbkreisförmigen Aufsätze auf dem Reif (Pinacula) und vor allem die beiden bogenförmigen Bänder, die sich oben kreuzen. In der Mitte befindet sich wieder ein Bild des Pantokrator, das aber durch die zusätzliche Anbringung des Kreuzes ziemlich zerstört wurde*. Auf den Bändern selbst finden sich Email-Plättchen mit den Bildnissen von insgesamt acht Aposteln: Andreas und Petrus, Thomas und Jakobus, Paulus und Philippus, Johannes und Bartholomäus. Kunsthistoriker schließen aus der Tatsache, daß nur acht der zwölf Apostel dargestellt sind, daß das ursprüngliche Teil (ein Kreuz?, Teil eines Reliquienschreins?) an den vier Enden um jeweils noch ein weiteres Apostelbild länger war. Von den acht Bildern der Krone zeigt der Block auf der obersten Marke den hl. Thomas, was aus der lateinischen Beschriftung hervorgeht. Für die Entstehung dieser aus dem lateinischen und griechischen Teil zusammengesetzten Krone gibt es kein verläßliches Datum. Sicher ist, daß es vor 1300 geschah. In der Forschung genannte Daten sind 1100, 1172 und 1270/72 – man weiß es nicht genau. Fast sieben Jahrhunderte lang wurden die ungarischen Könige – zuletzt 1916 der Habsburger Karl I. - mit dieser Krone gekrönt – der „richtige“ Krönungsort war im Mittelalter Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) -, bis sie in den Wirren der letzten Kriegswochen 1945 in Mattsee im Land Salzburg vergraben wurde und dann nach den USA gelangte. Erst am 6. Januar 1978 wurden die ungarischen Krönungsinsignien mit ihrem wertvollsten Stück, der „heiligen“ Stephanskrone feierlich an Ungarn zurückgegeben.

GJT         

Zu dem schrägen Kreuz der Krone fand ich im „Großen Herder“ von 1905: „Das Kreuz ist wacklig und auf offiziellen Abbildungen schief“.

Literatur: Kálmán Benda u. Erik Fügedi, Tausend Jahre Stephanskrone, Budapest 1988.

Stand: 01.12.2005    © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.