Drei französische Kirchen neu auf
Briefmarken
Im Juni und
Juli dieses Jahres hat die
französische Post drei neue Marken
ausgegeben, die Kirchen des Landes
zeigen: Die Wallfahrtsbasilika von
Notre-Dame de l’Epine, die
Kathedrale von Tulle im Département
Corrèze und die Kirche des Dorfes
Saint-Père unterhalb des Hügels von
Vézelay.
Die Basilika von Notre-Dame de
l’Epine (U. L. Frau in den
Dornen) hat ihren Ursprung in einer
Begebenheit, die aus dem Beginn des
14. Jh. berichtet wird. Hirten
hätten eine Statue der Madonna in
einem brennenden Dornbusch gefunden,
ein Anklang an den brennenden
Dornbusch, in dem Gott dem Mose
erschienen ist. Was lag näher, als
dieser Statue eine angemessene
Heimstatt in Form einer großen
Kirche zu geben, aber es fehlte an
Mitteln dazu. Glücklicherweise zog
die Madonna berühmte und begüterte
Pilger an: die Könige Karl VII. und
Ludwig XI., dann der „gute“ König
René von Anjou, Herrscher des
benachbarten Herzogtums Bar, die
alle kamen, um das wunderbare Bild
zu verehren.
Von
weither schon sieht man die auf
einer kleinen Anhöhe in der weiten
Ebene zwischen den Argonnen und der
Marne, wenige Kilometer östlich von
Chalons-sur-Marne liegende
Wallfahrtsbasilika. Sie ist ein
Juwel spätgotischer Architektur,
nach einem Wort Paul Claudels „eine
brennende Stätte und ein blühender
Rosenstrauch“. Erbaut wurde sie im
15. Jh., fertig gestellt 1527. Die
Fassade, die wir auf der Marke
abgebildet sehen, hat eine überaus
reiche Ausschmückung; drei Portale
führen in das Kircheninnere, über
dem Mittelportal befindet sich eine
große Rosette, die der vieler
Kathedralen nicht nachsteht.
Ungleich sind die zwei Türme der
Fassade, der rechte ist 55 m hoch,
der linke wurde in der
Revolutionszeit 1798 bis auf die
obere Plattform abgebrochen, um eine
Relais-Station für den
Chappe-Telegraphen einzurichten.
Erst 1868 erhielt er wieder sein
ursprüngliche Spitze. Neben dem
Schmuck der Fassade werden vor allem
die zu beiden Seiten der Kirche
angeordneten Wasserspeier beachtet:
böse Geister und Laster darstellend,
die durch die Kraft Gottes aus dem
Kircheninnern vertrieben wurden.
Auf der Marke nicht sichtbar, aber
aus dem Ensemble herausgehoben, ist
das Portal des südlichen
Querschiffs. Seine Skulpturen
erinnern an die Kathedrale in Reims
(die zuständige Bischofsstadt), und
der Türsturz zeigt Szenen aus dem
Leben Johannes des Täufers.
Das Innere ist Ausdruck des reinen
gotischen Stils; ein Lettner, einer
der wenigen, die die Stürme der
Revolution überlebt haben, trennt
das Langhaus vom Chor, in dem sich
die Statue der Madonna befindet, die
auch heute noch Scharen von Pilgern
anzieht. Notre-Dame de l’Epine
gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO
und ist eine Station auf einem
Nebenweg der Pilgerfahrt nach
Santiago de Compostela.
Die Kathedrale von Tulle ist
eines der Bauwerke, die auf der
Marke für diese Stadt dargestellt
ist. Die Ursprünge dieser Stadt,
Hauptstadt des Départements Corrèze,
im Innersten Frankreichs, gehen auf
die Zeit der Karolinger, wenn nicht
gar auf die Römerzeit zurück. Den
Beginn des Baus der Kathedrale
datiert man auf das Jahr 1103, im
Jahr 1307 wird die Stadt, nach
Limoges die zweite Stadt im
Limousin, auf Betreiben des Abtes
Arnaud de Saint-Astier Bischofssitz
und dieser erster Bischof. Lange
währten der Streit und Prozesse mit
der vormaligen Bischofsstadt
Limoges. Der Hundertjährige Krieg
zwischen Frankreich und England und
die Pest schadeten der Entwicklung
der Stadt, die sich praktisch auf
ihren Kern um die Kathedrale
zurückzog.
Die Kathedrale Notre-Dame geht auf
eine Abteikirche der im 7. Jh.
gegründeten Benediktinerabtei
zurück. Abt Wilhelm begann 1003 mit
ihrem Bau, es entstanden das Schiff,
der Portalvorbau und das
Untergeschoß des Turms. Der
ursprüngliche Grundriß sah ein
Mittelschiff mit Seitenschiffen, ein
Querschiff mit Scheitelkapellen,
einen Umgangschor mit Kapellen vor.
Nur langsam ging der Bau voran, was
romanische Pfeiler und Wände, aber
die gotische Wölbung bezeugen. 1796
stürzte die Vierungskuppel ein,
beschädigte Querschiff und Chor, die
abgerissen wurden: seither wurde die
Ostseite des Langhauses mit einer
geraden Mauer geschlossen.
Der auf der Marke gut zu sehende 73
m hohe Glockenturm besteht aus drei
Geschossen; die Turmspitze stammt
aus dem 14. Jh., wurde 1645 durch
Blitzschlag beschädigt und
ursprungsgetreu erneuert.
Neben der Gottesmutter als
Titelpatronin der Kirche wird vor
allem Johannes der Täufer sehr
verehrt. Seine Holzstatue aus dem
16. Jh. steht im linken
Seitenschiff, und bereits seit dem
14. Jh. feiern die Einwohner von
Tulle die Geburt des Heiligen (Fest
23. Juni) mit einer großen
Prozession.
Wenige der jährlich Tausende von
Besuchern Vézelays und seiner
romanischen Basilika auf der
„Colline inspirée“ verirren sich in
das 2 km südlich unterhalb des
Hügels gelegene Dorf Saint-Pére
mit seiner gotischen Kirche, einer
„Cathédrale en miniature“, wie die
französische Post schreibt.
Ursprünglich stand hier eine
Marienkapelle, die erst zum Beginn
des 16. Jh., als die alte St. Peter
geweihte Kirche abgebrochen wurde,
zur Pfarrkirche aufstieg. Die ersten
Bauteile sollen auf das Jahr 1240
und auf die Benediktiner-Abtei von
Vézelay zurückgehen; drei gotische
Bauepochen lassen sich an der
heutigen Kirche ablesen: aus dem 13.
Jh. stammen Turm und Fassade sowie
die ersten fünf Joche des Langhauses
mit den Seitenschiffen; der das
Markenbild beherrschende Narthex,
d.h. die Vorhalle gehört zum größten
Teil in das 14. Jh.; Chor und
Apsiskapellen wurden im 15. Jh.,
allerdings unter Beibehaltung von
Teilen des 13. Jh., erneuert.
Die Marke führt den Besucher vor das
künstlerische Hauptstück der Kirche,
das große Portal mit seinen
Skulpturen, die das Jüngste Gericht
darstellen. Posaune blasende Engel
mit ausgebreiteten Flügeln schmücken
die vier Kanten des Turms. Im
Gegensatz zum reichen Schmuck der
Außenseite ist das Innere der Kirche
verhältnismäßig nüchtern gestaltet.
Dennoch findet man hier die gleiche
Schönheit und Harmonie in den Linien
und Proportionen des Schiffs und des
Chors. – Das Weihedatum der Kirche
ist nicht bekannt, aber schon im 15.
Jh. feierte man die Kirchweihe am
29. Mai. Rechts oben auf der Marke
zeigt der Entwerfer das Detail einer
Skulptur aus der Kirche.
GJT
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