Die
Päpste und die Heiligen Jahre, Teil 11
Das
Heilige Jahr 1775 wurde von Clemens XIV.
(Papst 1769-1774) am 30. April 1774 angekündigt,
aber dieser Papst konnte es nicht mehr eröffnen,
da er am 22.
September 1774 starb. Das folgende
Konklave zur Wahl des neuen Papstes zog
sich bis Februar 1775 in die Länge, und
somit konnte der neu gewählte Papst Pius
VI. (Giannangelo Braschi, Papst
1775-1799) die Heilige Pforte erst am 26.
Februar 1775 öffnen.
Die
Kirche war in diesen Jahrzehnten in ihren
Fundamenten durch die Aufklärung als neue
Philosophie mit ihrem Vordenker Voltaire
bedroht. Dennoch empfing der Papst während
des Heiligen Jahres ihren profiliertesten
deutschen Vertreter, Gotthold Ephraim
Lessing, in Rom. Lessing war allerdings
nicht als Pilger nach Rom gekommen,
sondern als Begleiter des Prinzen Leopold
von Braunschweig, der sich auf seiner
Kavalierstour, der "Grand"
Tour", befand. Unter den echten
Pilgern waren jedoch der Kurfürst der
Pfalz und später auch Bayerns, Carl
Theodor, und Erzherzog Maximilian von Österreich,
damals geistlicher Kurfürst von Köln,
Sohn Maria Theresias und Bruder Josephs
II.. Pius
VI. konnte auch durch eine Reise nach Wien
im Jahr 1782 die staatskirchlichen
Bestrebungen Josephs II. nicht ändern.
Hingegen fand er freundliche Aufnahme
durch Carl Theodor in München und Clemens
Wenzeslaus in Augsburg.
1800 wurde
infolge der Wirren und Kriege in der Folge
der Französischen Revolution kein
Heiliges Jahr gefeiert. So war es dem 1799
noch lebenden Pius VI. nicht vergönnt,
das Heilige Jahr auszurufen. Pius VI.
hatte die Französische Revolution und in
ihrer Folge die Zivilkonstitution des
Klerus und die konstitutionelle Kirche
verurteilt; politisch war der Kirchenstaat
der ersten Koalition gegen Napoleon
beigetreten, was nach deren Scheitern
schließlich zum Verlust von Teilen des
Kirchenstaats (z.B. Avignon) und schließlich
am 15.2.1798 in Rom zur Ausrufung der
Republik führte. Der
Papst wurde auf Anordnung Napoleons nach
Frankreich gebracht und starb als
Gefangener am 29. August 1799 in Valence.
Der neue Papst war auf einem Konklave in
Venedig gewählt worden, doch Pius VII.
(1800-1823), der am 3. Juli 1800 in Rom
einzog, konnte sich nicht mehr zur Eröffnung
des Heiligen Jahres entschließen.
Durch
den Wiener Kongress wurde der Kirchenstaat
in verkleinerter Form wiederhergestellt.
Nachfolger Pius VII. wurde Leo XII.
(Annibale della Genga, Papst 1823-1829),
der in gewohnter Form das Heilige Jahr
1825 ausrief. Das neue Selbstverständnis
des Papsttums äußerte sich auch in der
Tatsache, aß der Papst barfuss die
Hauptbasiliken aufsuchte, um den Bußgeist
des Heiligen Jahres persönlich als
Vorbild zum Ausdruck zu bringen. Die
Basilika St. Paul vor den Mauern, die 1823
einem Schadenfeuer zum Opfer gefallen war,
befand sich noch im Wiederaufbau, so aß
die Kirche Sta. Maria in Trastevere als
Ersatz-Pilgerziel dienen musste.
Politisch
gesehen befand sich Europa im Zeitalter
der Restauration, während dessen das
"System Metternich" in enger
Zusammenarbeit der konservativen Großmächte
Österreich, Russland und Preußen möglichst
jede politische freiheitliche Regung zu
unterdrücken suchte: nach den Erfahrungen
der Französischen Revolution war Ruhe die
erste Bürgerpflicht.
Dies
drückte sich auch in der Ewigen Stadt
aus, in der Leo XII. als in seiner
Eigenschaft als Souverän des
Kirchenstaats auf der Piazza del Popolo
zwei "Carbonari" hinrichten ließ,
die als Mitglieder eines Geheimbunds für
die Abschaffung der italienischen
Kleinstaaten und die Errichtung eines
geeinten Nationalstaats kämpften, ein
Ziel, das mit etwa 50 Jahren Verspätung
erreicht werden sollte. Mit einer solchen
Handlung wurde das herrschende Bild Leos
XII., der auf einem schwierigen Konklave
durch den Sieg der "Zelanti"
(d.i. die konservative Gruppierung) über
die Liberalen gewählt worden war, noch
verstärkt. Andererseits erwarb er sich
Verdienste in der Neuordnung kirchlicher
Gebietsgrenzen (Kgr. Hannover, Großherzogtum
Baden, Reorganisation der Bistümer Basel
und Chur) und in der Stiftung sozialer
Einrichtungen und der Förderung
kultureller Belange wie Akademien,
Bibliotheken, das Schulwesen usw. Nur
vergleichsweise wenige Pilger kamen in
diesem Heiligen Jahr aus dem Ausland nach
Rom; aus Italien verdienen erwähnt zu
werden die fromme Prinzessin Maria
Cristina von Savoyen und der später
heiliggesprochene Ordensgründer Vinzenz
Palotti.
GJT
Literatur.:
Werner Chrobak, Heiliges Jahr 2000, Woher
- wohin?
Bruno Steiner, Lexikon der Päpste
und des Papsttums, Freiburg 2001. |