Das Filzmooser Kindl
Filzmoos liegt im Land Salzburg, dem ehemaligen
Fürsterzbistum, das erst durch den
Wiener Kongress im Jahre 1816 endgültig zu Österreich kam. Kurz vor Eben im Pongau wird auf der Tauernautobahn in beiden Richtungen auf die Abfahrt zur
Wallfahrtskirche Filzmoos hingewiesen. Eine gut ausgebaute Strasse
führt in der Folge durch das obere Fritzbachtal auf eine Höhe von
über 1.000 m. Auf der Fahrt hat man
ständig den Dachstein vor Augen, gelegentlich gibt es auch einen Blick zur
Bischofsmütze, und im Süden zur Rechten erstreckt sich der Rossbrand mit seinen
schier endlosen Bergwäldern. Filzmoos hat sich in den letzten Jahrzehnten in einem rasanten Wachstum zum Urlaubsort entwickelt, in dem sich ein Hotel an das andere
reiht und auch die nötige Infrastruktur vorhanden ist. Es ist vor allem der Wintersport, der die Menschen hierher lockt. Aber auch im Sommer ziehen die vielen Wanderwege,
in einer nahezu unversehrten Landschaft, viele Urlauber an.
Filzmoos lag
früher am "Ende der Welt" und hat dennoch eine bewegte Geschichte.
Das Dorf war weithin bekannt, denn schon früh stand dort die Kirche, dessen Gnadenbild die Pilger von weit her anzog. An mehreren Stellen wurde Bergbau
betrieben, vor allem am Rötelstein. Silber, Kupfer und Eisen hat man gewonnen, aber auch Arsen, Blei und Zink. Die letzten
Schürfrechte wurden 1931 gelöscht. In Haus-
und Geländenamen lebt aber die Erinnerung daran fort. Ganz schwer hat Filzmoos unter der Salzburger Protestantenvertreibung im Jahre 1732 gelitten. Christian
Salchegger zählt in seinem Filzmoos-Buch 527 Vertriebene auf, das
muss mehr als die
Hälfte der Bewohner gewesen sein. Neben großem menschlichem Leid ist der Ort
damals auch in seiner Entwicklung um Generationen
zurückgefallen. Die Filzmooser haben aus ihrer Geschichte in Dingen des Glaubens, der Kultur, des nachbarlichen
Zusammenlebens und der Gastfreundlichkeit vieles bis heute bewahrt. Sie werden auch in Zukunft unter dem besonderen Schutz ihres Gnadenbildes, des "Filzmooser Kindis", stehen.
Filzmoos wird 1272 erstmals urkundlich
erwähnt. Vom "St. Peterskirchlein" hören
wir
erstmals 1453. Es war damals eine Filialkirche der
mächtigen Dekanats- und Mutterpfarre Altenmarkt. 1474 weiht der Bischof von Chiemsee, Bernhard von
Krayburg, den Hochaltar. Bei der Gelegenheit wird die Kirche auch mit
Ablässen ausgestattet. Im Jahre 1505 erhielt die Kirche einen zweiten Seitenaltar, und nach
einigen Veränderungen wird 1515 der "Freithof der Peterskirche in Viltzmos
aufs Neue geweiht". 1546 wird der Turm erbaut "und die grosz glogen eingehengt", wie eine
Inschrift am Eingang zum Turmhaus berichtet.
Gottesdienst wurde in dieser Kirche
zunächst „unregemäßig" gehalten, später kam alle
14 Tage ein Priester aus Altenmarkt oder Radstadt, zuletzt im Sommer sogar jede Woche. Im Winter freilich waren die Filzmooser von der
Außenwelt abgeschnitten, "der
Weg aus und ein zu faren, reiten oder gehen viel zu grob". Und der Winter dauerte lang. Deshalb
drängten die Bewohner darauf, dass Filzmoos einen eigenen Priester
erhalte. Unter großen Schwierigkeiten wurde der Pfarrhof errichtet, und 1675 erhob der damalige
Fürsterzbischof Max Gandolph Filzmoos zum Vikariat. Der Stiftsbrief wurde
am 1. November 1679 ausgestellt. Seit dieser Zeit werden
Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher geführt.
Im Jahre 1703 erhielt die Kirche eine neue
große Glocke und einen prächtigen Hochaltar, den ein wohlhabender Salzburger
Bürger stiftete. 1820 stellte man eine Orgel mit vier Registern auf, die 1859 durch eine
größere mit acht Registern ersetzt
wurde. 1858 wurde Filzmoos durch den Fürsterzbischof
und Kardinal Maximilian Josef von Tarnoczy zur Pfarre erhoben. Ein neues
Geläutete wurde angeschafft, und 1878
wurde die Kirche aus Anlass des 400. Weihetages gründlich
renoviert.
Ihr heutiges Aussehen erhielt die Kirche durch eine radikale Neuordnung des
Kirchenraumes in den Jahren 1959 bis 1962. Die neugotischen
Altäre wurden entfernt, mit ihnen eine Vielzahl von Statuen; nur die barocken Figuren der Kirchenpatrone Peter
und Paul stehen heute noch im Altarraum. Auch die vielen Votivtafeln hat man aus der Kirche genommen, 32 dieser Bilder
hängen heute im Pfarrhof. Die Neuordnung erfolgte
nach den Plänen„des bekannten Bildhauers Jakob Adlhart, der dem
spätgotischen Bau damit seine Schlichtheit und Würde
zurückgeben wollte. Vor allem aber hat er das
Gnadenbild - das Filzmooser Kindl" - zum beherrschenden Mittelpunkt gemacht, indem er es in einen
gläsernen Schrein stellte, der von einem goldenen Strahlenkranz umgeben ist.
Das "Filzmooser Kindl" ist eine voll geschnitzte,
spätgotische und farbig gefasste Holzfigur des 15. Jh., 83 cm hoch. Das Jesuskind ist stehend dargestellt, in einer eigenartig
übereinander tretenden Beinstellung. Die Rechte ist
segnend erhoben, in der Linken hält es eine metallene Weltkugel, welche
spätmittelalterlich sein dürfte. Dem Haupt ist eine vergoldete Krone aufgesetzt, die aus der Rokokozeit
stammen dürfte. Über den genauen Zeitpunkt der
Krönung fehlen jegliche Nachrichten. Von der rechten Hand
hängt an einer Kordel eine kleine Glocke, weshalb man auch vom
"Glockenkindl" gesprochen hat. Die Glocke stammt noch aus der Zeit der Gotik und
dürfte ursprünglich sein. Sie wird bereits in der Ursprungslegende
erwähnt und auch im
Ortswappen finden wir sie wieder. Bekleidet ist das Jesuskind stets mit einem reich gestickten Gewand, welches nach der Zeit des Jahres gewechselt wird; golden zu
Weihnachten, weiß zu Ostern, rot zu Pfingsten und das Jahr
über. Die heutigen "Gnadenröckl" stammen aus dem
frühen 20. Jh.. Schon im Filzmooser Wallfahrtsbüchlein
von 1772 beklagt Vikar Matthias Egger, "dass weder die Zeit des Ursprung, weder, was sich von selben an zugetragen,
nirgendwo schriftlich verzeichnet
zu erfragen". Um so lebhafter hat sich die Ursprungslegende erhalten, die der Vikar so
erzählt„
Filzmos
ware vor Zeiten mehr eine Vieh- als Menschen-Weyd. Zwey
Schäffer-Hirten höreten in dieser Gegend einsmahls ein kleines liebliches
Glöcklein. Sie gehen den Klang nach, und fanden mit Verwunderung eine geschnizte
Bildnuss eines kleinen Jesus
Kindl auf einem halb verfaulten Baumstock stehen; und was ihre Verwunderung in Erstaunung sezte, leitet die
Bildnuss ein Glöcklein, und strecket die zwey erste Fingerlein der rechten Hand in die
Höhe.
Die Begebenheit zeigten die Hirten alsobald dem Herrn Pfarrer zu Altenmarkt, als ihren
damahligen unmittlbaren Seelsorger an. Der Augenschein wurde vorgenommen, die
Bildnuss gefunden, erhebt, und nach Altenmarckt überbracht. Selbe Nacht gienge diese
Bildnuß wieder verlohren, und wurde auf Nachforschen abermahl an jenem Ort angetroffen, wo selbe vorher von denen Hirten ist ersehen worden. Hierauf wurde
dieses Christ-Kindlein das zweyte mal erhebt, und in das einen halben
Büchsen-Schuß entlegene St. Peters Kirchlein übersetzet; allwo es bis heutigen Tag verblieben, und
sich gegen die Menschen gnadenreich, ja wundertätig
erwiesen.
Die Verehrung des Kindls ist bereits im
späten 15. Jahrhundert verbürgt. Im Jahre 1507
wird der zuständige Seelsorger als "Grationarius" (Priester der Gnadenkirche) bezeichnet. Vom
Filzmoosen Vikar Johann Baptist Nader stammt eine umfangreiche
Sammlung kunstvoller lateinischer Epigramme, Distichen und Hymnen auf das "Lieb- und gnadenreiche
Jesus-Hündlein". Sie trägt die Jahreszahl 1718, ist aber leider
nicht im Druck erschienen. Ab 1705 sind dann zahlreiche
Gebetserhörungen und Gnadenerweise aufgezeichnet und auf Votivtafeln festgehalten worden. Die Menschen,
die oft von weit her zum Kindl pilgerten, wollten vor allem danken, nachdem sie sich in einer Not "zum Kindl verlobt" und Hilfe erfahren hatten. Alle denkbaren
Nöte werden
genannt: Unglück in Haus und Stall, Todesgefahren, Kopfschmerzen, Epilepsie,
Arbeitsunfälle auch Wahnsinn und rätselhafte Krankheiten, Erblindung, schwere
Geburt, Unwetter und Hochwasser, Krankheiten und
Unfälle von Kindern, Lawinenunglücke, auch die Pest.
Die Verehrer des
Filzmoosen Gnadenkindes kamen aber auch im 19. Jh. noch
zahlreich aus der näheren und weiteren Umgebung. Das belegen die vielen Votivbilder. Heute ist man von den
früher häufigen Bittgängen und Prozessionen abgekommen.
Dafür sind neue Formen entstanden: Pfarr- und Familienwallfahrten, der Dekanatsbittgang und
Fußwallfahrten. Es kommen Seniorengruppen und Kirchenchöre, Firmgruppen und Einzelpilger. Bei alldem ist Filzmoos ein ruhiger und bescheidener Wallfahrtsort geblieben. Wer besinnlich die Kirche betritt, der
spürt geradezu den Hauch eines halben Jahrtausends, in dem die Menschen hierher pilgerten.
Dass es nicht wenige waren,
verrät die tief ausgetretene Türschwelle am Kircheneingang.
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