Die Päpste und die Heiligen Jahre,
Teil 9
Das Heilige Jahr 1625 stand unter dem Schatten des Dreißigjährigen Krieges, der 1618 begonnen hatte. Die Protagonisten beider Seiten waren zu
dieser Zeit König Christian IV. von Dänemark und Kaiser Ferdinand II. (1619-1637), der die katholischen Kräfte in der "Liga" sammelte. Papst Urban VIII.
(Maffeo Barberini, Papst 1623-1644) war dennoch nicht ein bedingungsloser Parteigänger der Liga, sondern steuerte zum Teil im Bündnis mit dem französischen Kardinal Richelieu
(Frankreich Mi 1726) eine antihabsburgische Politik, auch um den Bestand des Kirchenstaats zu sichern.
1625 war das Todesjahr des englischen Königs Jakob I., des Sohns der Maria
Stuart, der die gegensätzlichen Strömungen auf der britischen Insel einigermaßen ausgleichen konnte.
In Rom konnten die Pilger die nun fast vollendete Petersbasilika bewundern, der
der Baumeister Carlo Maderno 1612 die gewaltige Vorhalle hinzugefügt hatte (Marke Vatikan Mi 199). Die feierliche Einweihung der Peterskirche erfolgte
allerdings erst nach dem
Abschluss des Heiligen Jahres, am 18. November 1626. Unter Urban VIII. wurde auch der gewaltige Baldachin unter der Kuppel
und die Kathedra Petri, beide von Bernini entworfen,
fertig gestellt (Vatikan Mi 200, 526).
Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 hatte der Dreißigjährige Krieg schließlich sein Ende gefunden und die Friedensverträge von
Münster und Osnabrück sollten praktisch bis zum Ende des Alten Reiches dessen Grundgesetz darstellen.
Dennoch stand auch das Heilige Jahr 1650 im Zeichen eines Krieges: des spanisch-französischen
Krieges, für den die kriegführenden Mächte selbst unter den Pilgern um Söldner warben, was zu Tumulten auf dem Petersplatz führen sollte.
Der Papst dieses Jubiläumsjahres war Innozenz X.
(Giovanni Battista Pamphili, Papst 1644-1655).
Die erlauchten Gäste aus den verschiedenen Herrscherhäusern Europas
fehlten auch in diesem Heiligen Jahr nicht unter den Pilgern. Der Botschafter des spanischen Königs Philipp IV. zog mit einem Gefolge von 160 Kutschen am
20. Januar zur päpstlichen Audienz in den Vatikan, auch protestantische Adlige wie Herzog Johann Friedrich von Braunschweig und Graf Christoph von
Rantzau kamen nach Rom, ebenso wie die Söhne des Großherzogs von Toskana und Prinzessin Margarethe von Savoyen.
Mit dem französischen "Sonnenkönig" Ludwig XIV. (Alleinregierung 1661 bis
1715, Marke Frankreich Mi 1727) und Kaiser Leopold I. (1658-1705) hatten zwei profilierte Personen des Absolutismus die politische Bühne Europas
betreten. Eine andere Mitspielerin im Konzert der europäischen Mächte, die schwedische Königin Christine (1632-1654), die einzige Tochter Gustav Adolfs
und Herrscherin Schwedens zur Zeit des Westfälischen Friedens (s. GABRIEL 1998, S. 206-09, Marke Schweden Mi 2049), war nach ihrem Thronverzicht
1655 in Innsbruck zum katholischen Glauben übergetreten. Sie trat im Heiligen Jahr 1675 als eine der Hauptfiguren in Rom auf, nachdem ihr bereits zum
Einzug in Rom 1655 durch die von Bernini zu diesem
Anlass umgebaute Porta del Popolo ein großer Empfang bereitet worden war.
Der Papst dieses Heiligen Jahres 1675 war Clemens X. (Emilio Altieri, Papst 1670-1676); in seine
Pontifikatszeit fiel der Streit mit Ludwig XIV. wegen dessen Streben nach einer größeren Unabhängigkeit der französischen Kirche von Rom (dem Regalien-Streit), was letztlich eine noch größere Abhängigkeit der
französischen Bischöfe von ihrem König zur Folge gehabt hätte.
Im Heiligen Jahr 1675 konnten die Rompilger auch endlich die Fertigstellung des
Platzes vor St. Peter mit den Kolonnaden des Bernini erleben; der Petersplatz erhielt damit seine heutige Gestalt, und die von Bernini klug ersonnene
Konstruktion gab der Petersbasilika den noch fehlenden monumentalen Rahmen (Vatikan Mi 179, 201, 1043-45).
Der Papst des Heiligen Jahres 1700 war Innozenz XII.
(Antonio Pignatelli, Papst 1691-1700), der wegen altersbedingter Kränklichkeit schon die Hoffnung
der Heiligen Pforte Kardinal de la Tour überlassen
musste und vor dem Ende des Heiligen Jahres am 27. September verstarb. Innozenz XII. war 1668-71 päpstlicher Nuntius in
Wien, übrigens der einzige Wiener Nuntius, der Papst wurde.
Die Zeit zwischen 1675 und 1700 hatte die Bedrohung Wiens und damit der
christlichen Staaten durch die Türken gesehen, die mit der Schlacht am Kahlenberg vor Wien am 12.9.1683 (Österreich Mi 1750), bei der auf christlicher
Seite König Jan Sobieski von Polen einen entscheidenden Anteil hatte, endgültig beseitigt worden war.
Sobieskis Witwe, Maria Casimira (1639-1715) war eine vielbeachtete
Teilnehmerin an den Feierlichkeiten des Heiligen Jahres 1700. Ansonsten hielten sich die Pilgerströme in Grenzen, zumal Ludwig XIV. aus
absolutistisch-staatskirchlichem Denken seinen Untertanen die Wallfahrt nach Rom untersagte. Dies war um so erstaunlicher, als der Regalienstreit unter dem
Pontifikat Innozenz XII. beigelegt werden konnte.
Innozenz XII. war ein Papst der Reformen, sowohl im Innern des Kirchenstaats,
in dem er den päpstlichen Nepotismus bekämpfte, wie auch nach
außen, z.B. 1695 durch das Verbot der in der deutschen Kirche verbreiteten
Wahlkapitulationen bei Bischofs- und Abtswahlen,
d.h. das Verbot, den Kandidaten
materielle oder politische
Zugeständnisse als Bedingung ihrer
Wahl aufzuzwingen.
GJT
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