St. Gabriel,
Patron der
christlichen
Motivphilatelie

Sammlergilde St. Gabriel e. V.
Arbeitsgemeinschaft "Christliche Motive" im BDPh. e. V.

St. Gabriel, eine starke
Sammlergemeinschaft

Leseprobe aus dem März-GABRIEL 2002

Zurück

Die Gründung der polnischen Kirchenorganisation im Jahr 1000

Die polnische Post brachte im Jahr 2000 zwei Marken (70 gr und 80 gr) sowie einen Block (1,55 Zˆ) heraus, die der Tausendjahrfeier der Begründung der Kirchenorganisation der römisch-katholischen Kirche in Polen gewidmet ist. Diese Gründung geht auf ein zweites Ereignis zurück, das auf den Marken ebenfalls genannt wird: das Treffen des römischen Kaisers Otto III. mit dem Polenherzog Boleslaw Chrobry in Gnesen im Frühjahr des Jahres 1000.

Für die polnische Nationalgeschichte bedeutet dieses Treffen nicht nur die Gründung der polnischen Kirche mit dem Metropolitansitz in Gnesen, sondern auch die Institution des polnischen Königtums schlechthin. Die historischen Quellen über die Vorgänge in Gnesen sind nicht sehr ergiebig; die Ereignisse werden von verschiedenen Annalenschreibern des Mittelalters unterschiedlich dargestellt; einheitlich wird berichtet, daß Otto III. mit großen Ehren und großer Freundschaft von Boleslaw empfangen und aufgenommen wurde. Uneins waren sich die Historiker beider Länder - vor allem in den national-betonten Jahrzehnten des 19. und 20. Jh. darüber, ob die Geste Ottos, mit der er seine Krone auf das Haupt Boleslaws setzte, als Freundschaftsbezeugung zu interpretieren sei oder ob es sich um eine rechtlich wirksame Königskrönung gehandelt habe.

Otto war einerseits als Pilger nach Gnesen gewallfahrtet, um seinem Freund, dem von den Pruzzen ermordeten und in Gnesen beigesetzten Adalbert die Ehre zu erweisen; andererseits stand die Begegnung mit dem Polenherzog im politischen Kontext der Renovatio Imperii Romanorum, der Idee Ottos, die im Osten Europas neu entstehenden Reiche in einer angemessenen Form an das römisch-deutsche Kaisertum zu binden. (s. auch GABRIEL 1997, S. 275)

Dieser Emanzipation auf politischer Ebene mußte folgerichtig auch die Schaffung eigener Kirchen-Organisationen in Polen und Ungarn folgen. Und so ist anzunehmen, daß es nicht zufällig war, daß diese Reise Ottos in Abstimmung mit dem Papst in Rom, Sylvester II., dazu diente, diese Organisation für Polen zu begründen. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand in Polen ein vom Metropolitansitz in Magdeburg abhängiges Bistum in Posen unter Bischof Unger. Der Schritt in Gnesen bedeutete also die Loslösung der Territorien unter der Herrschaft Boleslaws von dem des Magdeburger Erzbistums, dem bislang die Ostmission oblag. Neugeweihter Erzbischof von Gnesen wurde Gaudentius (Radim), und der neuen Kirchenprovinz wurden die Bistümer Krakau, Kolberg und Breslau unterstellt.


Auf dem Markenbild der 70 gr Marke sehen wir in Form einer Buchmalerei die Szene, wie der auf dem Thron sitzende Kaiser Otto III. dem Herzog Boleslaw seine Krone übergibt. Die Marke zu 80 gr zeigt symbolhaft die vier Bischöfe, oben links den Erzbischof von Gnesen, hervorgehoben durch das erzbischöfliche Pallium (das um den Hals geschlungene und auf der Brust nach unten fallende weiße Wollband), dann rechts den Bischof von Krakau und unten die Bischöfe von Breslau und Kolberg. Die Marke des Blocks zu 1,55 Zl schließlich gibt Ausschnitte des Widmungsbilds einer ottonischen Handschrift, des auf der Reichenau entstandenen Evangeliars Ottos III., wieder: die Provinzen (oder Reiche) huldigen dem auf dem Thron sitzenden Kaiser, der Zepter und Reichsapfel in seinen Händen hält: zunächst dem Thron Roma (für den italienischen Reichsteil), dann Gallia (für den linksrheinischen Reichsteil), Germania (den "deutschen" Reichsteil) und Sclavinia, die Verkörperung der Slawenstämme, also auch ein Ausdruck der neuen Beziehung zu Polen.

Die Freundschaft zwischen Otto III. und Boleslaw äußerte sich durch viele Gesten während und nach Ottos Besuch in Gnesen: Otto konnte eine Armreliquie des von ihm verehrten Adalbert in seine Kaiserstadt Aachen mitnehmen, die Heirat des Sohns Boleslaws mit einer Nichte Ottos wurde vereinbart und später auch ausgeführt, Otto übergab Boleslaw eine Nachbildung der Heiligen Lanze, einer wichtigen Reichsinsignie, und Boleslaw begleitete und geleitete Otto bis Magdeburg und schenkte ihm zum Abschied noch 300 Panzerreiter. - Die Streitfrage der Historiker, ob die symbolische Überreichung der Krone Ottos an Boleslaw eine Königskrönung oder eine Freundschaftsgeste war, wurde zumindest durch die Fakten dahingehend gelöst, daß Polen von diesem Zeitpunkt an tatsächlich als selbständiges Königtum angesehen wurde.

GJT

Literatur: Gerd Althoff, Otto III., Darmstadt 1996;  Mötherich, Florentine, Das Evangeliar Ottos III., Darmstadt 2001.

Stand: 20.04.2006        © by Sammlergilde St. Gabriel e. V.